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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hatte den Spieß einfach umgedreht.
    Eglon hob hilflos die Schultern. »Der König sagte, das Risiko sei nicht der Rede wert im Vergleich zu dem, was seine Armee beim Angriff Eures Ungeheuers zu erwarten habe.« Die geringe Wahrscheinlichkeit eines Zufallstreffers schien zumindest dem Priester kein Trost zu sein. Im Gegenteil, die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Taramis schüttelte fassungslos den Kopf. Gaal musste den Verstand verloren haben, weil durch den plötzlichen Verlust des Mosphats seine Träume von der Weltmacht Dagonis wie eine Seifenblase zerplatzt waren. Jetzt schoss er wahllos auf Seelenbäume. Das war mehr als ein Tabubruch, mehr als ein Frevel, es war das schlimmste Verbrechen, das man sich vorstellen konnte. Allein hier auf Jâr’en hatte er mit seinem Amoklauf mindestens zwei Männer aus dem Leben gerissen. Wie viele Menschen auf anderen Inseln brachen wohl in dieser dunkelsten Stunde Beriths tot zusammen?
    »Bringt mich sofort zu Eurem König in den Heiligen Hain«, sagte Taramis.
    Der Waffenstillstand war so fragil wie eine gläserne Rose. Es kam nur deshalb zu keinem Gemetzel zwischen Zeridianern und Dagonisiern, weil sie ihr Schicksal in die Hände ihrer Anführer gelegt hatten. So scharten sich die Krieger beider Völker um die Lichtung im Heiligen Hain, hüben die Fischköpfigen, drüben die Ungestreiften. Der grasbewachsene Platz lag etwa eine Dreiviertelmeile weit vom See entfernt. Die Bäume im näheren Umkreis waren mit Pfeilen gespickt.
    Gaal stand in der Mitte der Lichtung, einen Kurzbogen in der Hand, neben ihm lag ein Haufen Pfeilköcher, einige bereits leer, die meisten noch prall gefüllt. Mit Brustharnisch, Kettenhemd, Beinkleidern, Stiefeln, Handschuhen und Feuerfischschwert sah er aus wie zur Schlacht gerüstet. Nur einen Helm trug er nicht. Und noch etwas fehlte dem riesenhaften Antisch: sein Dornenkranz. Also hatte Lebesi ihre Drohung wahr gemacht und ihm sämtliche Giftstacheln ausreißen lassen. Der Flaum, der an seinem Hals nachwuchs, stellte wohl noch keine Bedrohung dar.
    Der König zeigte sich vom Aufmarsch gänzlich unbeeindruckt und schoss weiter auf die Seelenbäume.
    Taramis drückte kurz Shúrias Hand – sie war auf dem Weg in den Wald nicht von seiner Seite gewichen –, trat aus dem Kreis heraus und rief: »Hört auf damit! Ihr tötet Eure eigenen Männer.«
    Gaal hatte auf den nächsten Stamm gezielt, drehte sich nun aber plötzlich um und schoss auf den Nebelwächter.
    Der Pfeil zischte durch die Luft und bohrte sich schnarrend in den Schild Schélet.
    »Schade«, sagte der König. Seine hämisch grinsende Fischfratze wirkte entstellt, so als habe der Wahnsinn darin getobt. »Wäre ja auch zu leicht gewesen.« Schon legte er das nächste Geschoss auf.
    »Haltet sofort ein!«, verlangte Taramis erneut.
    »Nenne mir einen vernünftigen Grund, warum ich das tun sollte«, entgegnete Gaal amüsiert und ließ die Bogensehne los. Der Pfeil sirrte davon und durchschlug die Rinde einer Erle.
    Aus dem Kreis der Krieger erscholl ein Gurgeln. Einige Antische sprangen entsetzt zur Seite und gaben so den Blick auf einen ihrer Kameraden frei. Er lag mit grotesk aufgerissenen Augen und Schaum vor dem Mund im Gras.
    »Das ist jetzt interessant«, sagte Gaal im Tonfall eines Forschers, der einer großen Entdeckung auf der Spur ist. Rasch griff er zum nächsten Pfeil. »Wenn du sagst, es seien schon andere Antische gestorben, dann deutet das auf eine gewisse Ordnung hin. Möglicherweise sind das hier alles Dagonisbäume.« Abermals zischte ein Geschoss in den Wald. Gaals Augen blieben starr auf Taramis gerichtet.
    »Legt auf der Stelle die Waffen nieder«, wiederholte der drohend.
    »Und was dann? Wirst du mich danach töten, junger Nebelwächter? Denn das bist du doch, nicht wahr? Ein Mitglied dieser unsäglichen Bruderschaft, die Dagonis hasst. Ich hätte schon viel früher darauf kommen müssen.«
    »In Gan Nephaschôth werden alle Bäume gleich behandelt. Auch die Eures Volkes. Schwört, dass Ihr die Kinder des Lichts nie wieder überfallen werdet, und ich gewähre Euch und Euren Männern freies Geleit.«
    »Und falls ich mich weigere?«
    »Dann wird Mobula über Euch kommen wie der Zorn Gottes.«
    »Mobula? Ist das dein Tintenfisch?«
    »Ihr mögt sie unter einem anderen Namen kennen: Har-Abbirím, der Berg der Engel.«
    Zum ersten Mal zeigte sich in der irren Grimasse des Königs eine Regung. Er wirkte betroffen.
    Taramis nickte. »Ihr kennt die Weissagung, die

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