Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt
Mobula nicht erschrecken, doch uns könnten ihre Geschosse den Garaus machen.«
»Denken die Dagonisier nicht, dass ich das Geheimnis der Seelenbäume kenne?«, meldete Eli sich zu Wort. »Warum nutzen wir das nicht zu unserem Vorteil?«
Für diesen Vorschlag erntete er ratlose Blicke.
»Was genau geht Euch durch den Sinn, Herr?«, fragte Taramis.
»Mir schwebt eine List vor. Was würden die Dagonisier deiner Meinung nach tun, wenn sie ihre völlige Vernichtung befürchten müssten? Wenn Gaos Hohepriester, dem sie einen solchen Frevel ja zutrauen, ihnen damit droht, ihre Seelenbäume zu fällen? Schicken wir uns an, mithilfe Har-Abbiríms im Garten der Seelen Ernte zu halten – nur zum Schein, versteht sich.«
»Das könnte klappen«, sagte Marnas. »Was meinst du dazu, Taramis?«
Der grinste. »Das fragst du mich? Ich bin ein Gaukler.«
Es war ein erhebender Anblick. Ungeachtet des Leids, das die Heilige Insel in Gestalt von Dagonisiern und Kirries heimgesucht hatte, wirkte sie aus der Ferne so friedlich wie ehedem. Der üppige Baumbestand im Garten der Seelen ließ Jâr’en wie einen Smaragd auf dem Samtbett des Weltenozeans leuchten. Wer immer sich dort aufhielt, würde kaum ahnen, wer ihn draußen auf dem Ätherischen Meer beobachtete.
Mobula hatte sich ein getupftes Tarnkleid angelegt, das sie so gut wie unsichtbar machte. Etwa zwei Meilen entfernt schwallten einige Ätherschlangen an ihr vorbei, ohne von ihr Notiz zu nehmen. Sie hielten Kurs auf das dunkle Zentrum der Welt. Taramis wartete, bis sie außer Sichtweite waren. Danach ließ er Mobula gegen die Heilige Insel vorrücken.
Der Kopffüßer näherte sich dieser von unten. Jâr’en war um einiges größer als der gigantische Kalmar, was dessen Ehrfurcht gebietende Erscheinung kaum schmälerte. Um die Kriegslist glaubhaft zu machen, wollte Taramis dem Feind zunächst eine Demonstration seiner Überlegenheit geben.
Mobula schoss wie ein Fleisch gewordener Albtraum vor den Mauern des Tempelbezirks in die Höhe. Während ihr Kopf weiter im Äther blieb, zuckten die Tentakeln über Beth Gao und die umstehenden Gebäude hinweg. Am Seeufer dahinter fegten die gigantischen Fangarme einen Trupp Dagonisier ins Wasser. Danach machten sie Jagd auf einzelne Krieger. Kirries waren keine zu sehen. Wer immer sich vor den Mauern aufhielt, überlebte es nicht.
Von den Zinnen erklangen Alarmhörner. Antische stürmten mit ihren Waffen aus den Quartieren, die einmal von Tempelwächtern, Priestern und ihren Familien bewohnt worden waren.
»Jetzt bring uns nach unten«, murmelte Taramis. Er merkte erst, dass seine Lippen sich im Gleichschritt mit den Gedanken bewegten, als sich neben ihm Shúria zu Wort meldete.
»Ich komme mit.«
»Diesmal nicht«, widersprach er. »Es könnte gefährlich werden.«
» Werden? Die letzten Wochen war ich ständig in Gefahr.«
»Das hier ist etwas anderes.«
»Du wolltest mir wie ein großer Bruder sein und hast gesagt, ich dürfe bei dir bleiben.«
»Überhaupt nichts habe ich gesagt. Nur genickt habe ich«, verteidigte er sich lahm.
»Ich will dich nicht auch noch verlieren, Taramis.« Ihre Augen glänzten. Jeden Moment würde sie in Tränen ausbrechen.
» Bitte! «, flehte er. »Es geht mir um dich, Shúria. Ich könnte es nicht ertragen, wenn …« Er blickte zu Boden.
»Wenn nach Xydia auch mir etwas zustieße?«, erriet sie seine Gedanken.
Er nickte.
Plötzlich stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. »Pass auf dich auf, mein Bruder, und geh mit Gott. Wenn die Fischköpfe nicht freiwillig abziehen, dann lass sie das Feuer von Ez spüren.«
Er lächelte schief. »Das werde ich tun.«
Mobula senkte sich weit herab und baute den Zeridianern mit ihren Fangarmen Rampen. Andere, darunter auch Taramis und seine engsten Gefährten, setzte sie direkt am Seeufer ab. Als Kreis der Zwölf hatten sie sich vor nicht einmal vier Wochen gegen die Dagonisier erhoben. Nun kehrten sechs von ihnen zurück mit über tausend Standhaften, die ihnen trotz Verletzungen und Erschöpfung folgten. Nicht zu vergessen Mobula, die ihnen den Rücken stärkte.
Taramis, Marnas, Gabbar, Masor, Pyron und Zur übernahmen die Sicherung der Kameraden, die über die Tentakel abstiegen. Zuerst gesellten sich weitere Tempelwächter und andere starke und erfahrene Kämpfer zu ihnen. Als Nachhut kamen die Verletzten und Schwachen. Selbst die Verzagten hatten sich ein Herz gefasst und waren mitgekommen.
Mit blankem Stab,
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