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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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böser Geist, der sich nur in der wachsenden Zahl seiner Opfer spiegle.
    Fast fünf Dutzend Männer hatte die Bestie schon geholt. Mit Vorliebe wählte sie die Jungen und Kräftigen, wodurch sie die Existenz des ganzen Stammes gefährdete, der seine besten Jäger verlor. Das Biest schien die Beute mit Haut und Haaren zu verschlingen, selten ließ es ein paar Leichenteile liegen. Und diese grauenhaft zugerichteten Überreste schienen wie eine Warnung, die es den Überlebenden zukommen ließ.
    Immerhin war der Kreatur eine Handvoll Männer entkommen. Taramis hatte mit ihnen gesprochen, um sich ein Bild vom Gegner zu machen. Ihre widersprüchlichen Beschreibungen gaben ihm Rätsel auf.
    Besonders merkwürdig fand er die Erinnerungen eines Flüchtlings von der Nachbarinsel Samunia. Er hieß Cellion und war ein ehemaliger Kamerad aus der Tempelgarde von Jâr’en. Taramis kannte ihn aus der Zeit ihres gemeinsamen Dienstes als verwegenen Krieger. Beim gestrigen Wiedersehen war er dagegen wie ausgewechselt. Völlig verängstigt stammelte er, dagonisische Sklavenjäger hätten eine blutrünstige Bestie auf Zeridia zurückgelassen, und dann berichtete er von einem Überfall der Menschenfänger auf sein Heimatdorf.
    Die Fischköpfe banden, so behauptete er, die stärksten Männer auf ihre Drachenwürmer, trieben anschließend den Rest des Stammes in die Rundhäuser und zündeten sie an. Den Häuptling, den sie vorher mit ihren giftigen Stacheln gelähmt hatten, ließen sie dabei zusehen, um ihn schließlich aus sicherer Entfernung mit ihren dreizackigen Lanzen zu ermorden. »Seitdem träume ich jede Nacht davon. Ich sehe das Flammenmeer, aus dem entsetzliche Schreie dringen. Sie rufen immer wieder meinen Namen«, hatte Cellion mit starrem Blick geflüstert.
    Ehe er unbemerkt hatte entkommen können, musste er sich anhören, wie die Fischköpfe den Häuptling verhöhnten. Sie prahlten von einem ihrer größten Menschenschlächter, den sie Gulloth nannten. Der wüte als das Phantom auf Zeridia und habe schon viele Seelen gefressen. Gegen Ende seines verworrenen Berichts meinte Cellion, er wisse nicht, welches Übel größer sei: die Mörderbanden aus Dagonis oder Gulloth, der schleichende Tod.
    Taramis hielt die Schilderungen seines Kameraden für Zerrbilder der Wirklichkeit, die ein verwirrter Geist ausgebrütet hatte. Der einstige Tempelwächter musste irgendetwas Schreckliches erlebt haben. Zweifellos hatte es ihn um den Verstand gebracht. Fischköpfe konnten es aber nicht gewesen sein: Dagonisier waren Antische und somit kiemenatmendes Menschengeschlecht. In den Luftblasen des Archipels müssten sie jämmerlich ersticken. Nur wo solche Sphären fehlten, wie in ihrer Heimat oder im Ätherischen Meer, vermochten sie zu überleben.
    Er verdrängte die Gedanken an die Unwägbarkeiten seines Vorhabens. Ginge es danach, wäre er gar nicht erst von Jâr’en aus aufgebrochen. Eigentlich zeugte sein Hiersein von der Unfähigkeit, den Überredungskünsten eines bestrickend schönen Mädchens zu widerstehen. Xydia hatte ihn angefleht, nach Zeridia zu gehen und das Phantom zu töten. Lauris war ihr älterer Bruder und ebenso wie ihr Vater Eli sorgte sie sich um ihn. Er war ein Unterhäuptling und zugleich der beste Krieger des Stammes, der am anderen Ende des Grünen Sees lagerte. Nach einigen erfolglos verlaufenen Treibjagden hatte der unerschrockene Jäger die Bestie allein zur Strecke bringen wollen – und war nicht mehr zurückgekehrt.
    Wie hätte Taramis seiner Liebsten also den Wunsch abschlagen können? Er liebte die älteste Tochter des Hohepriesters wie sonst keinen Menschen auf der Welt. Vor seiner Abreise hatten sie sich heimlich verlobt. Ob er jedoch als gewöhnlicher Tempelwächter und als Halbblut in die angesehene Familie einheiraten durfte, musste sich erst noch zeigen.
    Durch den Hohlweg strich ein Luftzug, der die Nebelschwaden aufwirbelte und dem Sonnenlicht eine Schneise schlug. Taramis verharrte mitten im Schritt. Seine scharfen Augen fixierten etwas auf dem Waldboden. Es schimmerte wie Perlmutt. Er bückte sich danach, hob es auf.
    Zwei Fischschuppen?
    Sie glichen den Nägeln seiner Mittelfinger, waren biegsam und halb durchsichtig. Eine schillerte weißlich, die andere orange. Hatte das Phantom im Grünsee einen stattlichen Fisch gefangen und ihn den Hang hinaufgeschleift? Taramis steckte sie in den Bund seines Lendentuches und folgte weiter der glitzernden Fährte. Sollte sich die Bestie am Ende doch nur als

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