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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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solchen Befreiungsversuches. Man würde ihn sofort töten. Fatalerweise blieb ihm nur wenig Zeit, auf eine bessere Gelegenheit zu hoffen.
    »Halt! Kontrolle«, rief unvermittelt eine Stimme in dagonisischem Dialekt. Vielleicht suchte man inzwischen nach ihm. Eben noch hatte er sich schon im Haus der Toten gewähnt, und jetzt war die Freiheit plötzlich zum Greifen nah. Natsar schöpfte Hoffnung.
    Die Pferde schnaubten. Der Wagen blieb stehen. Auf der Ladefläche scharrten unruhig die Füße der Zeridianer. Hände suchten unter dem Tuch nach Waffen. Jemand sprang vom Kutschbock.
    »Wir sind Bauern auf dem Weg zum Markt, Herr«, sagte die Stimme des Hüters von Jâr’en.
    »Dafür seid ihr aber spät dran. Der Markt hat vor mehr als drei Stunden geöffnet«, konterte der Posten.
    »Wir sind aufgehalten worden.«
    »Von wem?«
    »Unser Freund ist gestorben und wir haben ihn zu Grabe getragen.«
    »Rührende Geschichte. Und jetzt schlag das Tuch zurück, damit wir sehen können, was ihr darunter verbergt.«
    »Nur ein totes Schwein, Herr, und ein paar Geräte für den Ackerbau, die wir verkaufen wollen.«
    Natsar vernahm das Klappern von Waffen und dann wieder die Stimme des dagonisischen Soldaten. »Zum letzten Mal: Zeigt mir, was ihr da unter der Plane versteckt, oder wir wenden Gewalt an.«
    »Das wird nicht nötig sein, Herr«, sagte eine andere Stimme. Es war der junge Gaukler. Natsar schnaubte empört. Er hörte Taramis vom Kutschbock springen und am Wagen entlanglaufen. »Das Fleisch ist jedoch nicht mehr ganz frisch«, behauptete der Ungestreifte. »Ich hoffe, der Anblick von Maden stört Euch nicht.«
    So wütend die Dreistigkeit der Tempelwächter Natsar machte – immerhin bezeichneten sie ihn, den Oberbefehlshaber der dagonisischen Armeen, als faulendes Stück Schwein –, so sehr beeindruckte ihn ihre Abgebrühtheit. Doch seine Männer waren auf Unnachgiebigkeit gedrillt. Gleich würde der Schwindel auffliegen. Hoffentlich war die Patrouille auf Zack und zahlenmäßig stark genug, um gegen die zeridianischen Teufel zu bestehen.
    »Was zögerst du noch?«, drängte der Soldat.
    »Meinetwegen«, brummte Taramis.
    Jäh wurde die Plane zur Seite gerissen und Natsar blickte in gleißendes Sonnenlicht.
    Einen Moment lang war er zu geblendet, um irgendetwas zu erkennen. Ein Zittern durchlief seinen Körper, das letzte Warnzeichen, bevor es richtig unangenehm wurde. Er brauchte sofort sein Neschamah, sonst würden Krämpfe folgen und zuletzt der Erstickungstod. Schmerzhaft spürte er eine Lanzenspitze im Ohr – Masors unmissverständliche Warnung, keinen Mucks von sich zu geben. Warum reagierte der Posten nicht? Sicher gaukelte Taramis ihm irgendein Trugbild vor.
    »Pfui! Und das alte Schwein wollt Ihr noch verkaufen?«, stieß der Antisch angewidert hervor.
    »So alt ist es nun auch wieder nicht. Sonst würde es viel mehr stinken.«
    »Ich finde, es reicht. Ihr hättet den Kadaver an die Geier verfüttern sollen.«
    »In einer Stadt wie Peor findet Ihr immer jemanden, der sogar für so ein Stück Aas noch einen guten Preis zahlt. Können wir weiterfahren, Herr?«
    »Ihr sollt sogar! Schafft mir das Schwein aus den Augen.«
    Die Plane wurde über Natsar geworfen und dunkle Wärme hüllte ihn ein. Er konnte nicht glauben, wie ihm geschah. Anstatt ihn vor dem Erstickungstod zu retten, sahen seine Männer in ihm nur ein vor sich hinfaulendes Borstenvieh. Darüber geriet er so in Zorn, dass sein Körper die letzten Reserven des Odempulvers verbrannte. Heftige Krämpfe schüttelten ihn.
    Der Wagen rumpelte wieder los.
    Natsar sah Sterne. Ungeachtet des Stahls, der ihn zur Ruhe zwingen sollte, warfen ihn die Muskelzuckungen wie bei einem Fallsüchtigen hin und her. Im verzweifelten Aufflackern seines Bewusstseins schwor er bittere Rache, sollte er diese Tortur überleben. Dazu brauchte er nur eine Prise Neschamah. Danach sollten die Ungestreiften ihn ruhig an Lebesi ausliefern. Sie hatten ja keine Ahnung, welchen tödlichen Fehler zu begehen sie im Begriff waren.
    Zunächst hielten die Zeridianer das Zucken und Schnauben des Generals für eine seiner Finten. Vielleicht war er auch nur wütend, weil seine eigenen Männer ihn nicht befreit hatten. Als der Kastenwagen das Tor passierte und Masor den Verlauf des Anfalls zunehmend dramatischer beschrieb, änderte Taramis seine Meinung.
    »Bring uns sofort in die Seitengasse da!« Er deutete auf eine Lücke zwischen zwei halb verfallenen Häusern.
    Während Marnas den Wagen

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