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Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt

Titel: Die zerbrochene Welt 01 - Die zerbrochene Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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durch die Menschenmenge lenkte, kletterte Taramis nach hinten auf die Ladefläche und befreite Natsar von dem Knebel. Gelblicher Schaum quoll ihm aus dem Mund. Die rötlichen Streifen in seinem Gesicht leuchteten wie Feuer, die hellen strahlten kalkweiß, und die großen Augen waren so verdreht, dass man die Pupillen nicht mehr sehen konnte. Taramis streckte Masor die Hand entgegen. »Schnell, das Pulver!«
    Der Regenmacher reichte ihm die goldene Schnupfdose.
    »Haltet ihn fest«, befahl Taramis.
    Sie bogen in die Nebengasse ein. Unterdessen pressten die fünf Zeridianer den Antisch unter Aufbietung ihrer ganzen Kraft auf den Wagenbogen. Gabbar stemmte ihm das Knie auf die Brust. Weil Natsar sich das Odempulver nicht selbst verabreichen konnte, streute Taramis es ihm mit dem schnabelartigen Auslass des Behälters direkt in die Nasenlöcher.
    »Atmet!«, befahl er.
    Der General zuckte nur konvulsivisch.
    »Wenn Ihr leben wollt, dann atmet !«, brüllte Taramis.
    Ein verdreckter, kleiner Junge, der die Szene gerade noch mit offenem Mund beobachtet hatte, begann zu weinen und lief schreiend davon.
    Natsar stieß die Luft aus, anstatt sie anzusaugen, und zwei türkisfarbene Pulverwölkchen schossen hervor.
    Taramis verspürte ohnmächtige Wut. Zwar hatte der Dagonisier den Tod verdient, doch noch brauchte er ihn, um Xydias Mörder sowie ihren Vater und ihre Schwester zu finden. Ruppig streute er dem Antisch eine neue Ladung auf die Oberlippe und trieb sie ihm diesmal mit Geisteskraft tief in die Nasenlöcher hinein.
    »Schnupf endlich!«, dröhnte Gabbar und hieb dem General mit der flachen Hand kräftig auf die Brust.
    Natsar bäumte sich auf. Seine Augen schienen ihm aus den Höhlen springen zu wollen. Diesmal kam das Pulver nicht wieder heraus. Benommen blickte er in die Gesichter der Männer, die um sein Leben gekämpft hatten. Bei aller Größe und furchterregenden Hässlichkeit wirkte er zugleich so verletzlich wie ein vom Fieber geschwächter alter Mann. Kraftlos kippte er nach hinten und ihm fielen die Augen zu.
    »Ist er … tot?«, fragte Taramis besorgt.
    Gabbar, dessen Hand immer noch auf Natsars Brust lag, schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Sein Herz schlägt kräftig und ruhig.«
    Zurs Nasenspitze zuckte. »Wenigstens macht der Fisch uns so keine Scherereien, wenn wir ihn im Palast abliefern.«
    Annähernd eine Stunde lang rollte das Pferdefuhrwerk durch die Gassen der Stadt. Anfangs kam es wegen der vielen Menschen auf den Straßen nur langsam voran. In den Vierteln der Händler und Handwerker wurde es besser. Schließlich durchquerte es die prunkvollen Alleen, in denen die Villen und Paläste der Reichen und Mächtigen standen. Hier begegneten sie nur wenigen Passanten.
    Einmal kreuzte eine berittene Abteilung komanaischer Soldaten ihren Weg. An der Ausrüstung erkannte Marnas sie als Angehörige der Königlichen Leibwache. Typisch für diese waren die mit einem blauen Federbusch verzierten, oben spitz zulaufenden Helme aus brüniertem Stahl. Zudem hatten die Männer passende Harnische mit blank polierten Reliefs, die Adler mit ausgebreiteten Schwingen darstellten. Dazu trugen sie breite, mit geprägten Blechplättchen besetzte Gürtel, an denen metallbeschlagene Lederstreifen als Unterleibsschutz hingen. Feste Sandalen und Beinschienen vervollständigten die Uniform. Die Bewaffnung bestand aus Langschwert, Dolch und Lanze.
    Als die Gardisten auf ihren schwarzen Rössern an den vermeintlichen Bauern vorüberritten, würdigten sie diese keines Blickes. Mit dem gemeinen Volk gäben sie sich nur selten ab, bemerkte Marnas. Wenn sie nicht gerade die königliche Familie beschützten, eskortierten sie hohe Staatsgäste oder Angehörige des heimischen Adels, den Lebesi an der kurzen Leine hielt.
    Davon hatte tags zuvor auch der Wirt des Mageren Drachen berichtet. Er meinte, Lebesi zwinge ihre Edelleute dazu, mindestens neun Monate im Jahr vor den Mauern der Residenz zu wohnen. Wer sich widersetze, dem leihe sie weder ihr Ohr noch bekomme er irgendwelche Privilegien. So behalte sie die Untertanen, die ihr gefährlich werden könnten, unter ihrer Fuchtel.
    Auf Kopfsteinpflaster aus terrakottaroten Steinen ratterte der Wagen über einen runden Platz, der von halbkreisförmigen Kolonnaden gesäumt war. Am gegenüberliegenden Ende sah Taramis die Baustelle, die ihm bereits vom Äther aus aufgefallen war. Das monumentale Bauwerk, das hier errichtet wurde, hatte tags zuvor wie Feuer geleuchtet. Jetzt strahlte es in

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