Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
nur noch wenige Stunden ausharren – und dann käme er, um sie aus diesem Albtraum zu retten. »Ich bin für alles bereit, Majestät«, antwortete sie zweideutig.
Og hörte in diesen wenigen Worten genau das, was er hören wollte. Selbstgefällig lächelte er. »Du wirst es nicht bereuen. Adluh und Abah berichteten mir, dass deine Monatsblutung aufgehört hat.«
»Ich bin wieder rein, Majestät.«
»Das beruhigt mich. Es wäre doch unpassend, wenn der Große Fisch vor seinen Anbetern plötzlich das große Zittern bekäme und mit Schaum vor dem Maul die Flossen streckte.« Der König lachte über den, wie er meinte, gelungenen Scherz.
Shúria zog den Mund in die Breite.
Seine Heiterkeit verflog schlagartig und auch der fröhliche Unterton verschwand. »Falls du dich mir in aller Öffentlichkeit verweigerst, wäre das eine Todsünde. Zwar habe ich bereits für eine Ersatzbraut gesorgt, die notfalls gegen dich ausgewechselt werden könnte, doch an deinem Schicksal würde sich dadurch nichts ändern. Dein Sohn und du, ihr werdet durch das Feuer gehen, bevor das Fest vorüber ist. Haben wir uns verstanden?«
Shúria hielt seinem fordernden Blick stand. Anstatt mit einem bebenden Ja zu antworten, fragte sie: »Warum die vielen Menschenopfer?«
»Sie stimmen Dagon gnädig und sichern die Fruchtbarkeit.«
»Ich bin kein dummes Mädchen, das die Sterne für Käsekugeln hält. Wenn ich Eure Braut sein und meinen Eheschwur gegenüber Taramis brechen soll, dann sagt mir wenigstens die Wahrheit. Wozu all diese Feueropfer?«
Og grinste. Versonnen blickte er in einen Bruminenbaumtopf. Seltsamerweise betrachtete er aber nicht die angenehm duftenden, blauen Zitrusfrüchte, sondern die Blumenerde. »Furcht ist eines der stärksten Gefühle. Und noch mehr das Bangen der Mutter um ihr Kind. Sieh her!« Er tippte eine kleine Schnecke in dem Blumentopf an. Rasch verschwand sie in ihrem Haus. »Genau so zieht die Angst all jener, die nicht geopfert werden wollen, die Schollen Beriths zusammen.«
Shúria lief ein Schauer über den Rücken. »Wie soll das gehen, Majestät?«
»Eglon hilft ein wenig nach. Du sagtest vorgestern, er verfüge wohl über große Macht. Das stimmt. Er ist ein Lenker. Du kennst diese Gabe?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Er vermag dunkle Gefühle in Energie umzuwandeln. So können wir den Weltenbruch rückgängig machen. Eines Tages werden wir alle Inseln Beriths zu einem Großreich Komana vereint haben.«
»Dann ist der Kult also nur ein Mittel zum Zweck. Das Ritual der Vereinigung, die Feueropfer – all das hat nichts mit dem Großen Fisch zu tun.«
Og nickte. »Jetzt weißt du es. Ich hoffe, du bist nun zufrieden und wirst morgen meine Braut sein.«
Shúrias Blick sank auf das kleine Schneckenhaus herab. Sie beneidete das Tier darin. »Ich bin bereit«, wiederholte sie leise. Bereit, auf dich zu warten, Taramis.
»Das freut mich. Übrigens wird dir niemand glauben, wenn du die Geschichte weitererzählst, die du gerade von mir gehört hast. Trotzdem bitte ich dich, darüber Stillschweigen zu bewahren. Ich müsste dich sonst töten lassen. Das wäre eine enorme Verschwendung.«
24. Die Pilger
D as Schütteln war grauenvoll. Hatte er Krämpfe? Die Schmerzen in der Brust jedenfalls fühlten sich mörderisch an. Taramis stöhnte.
»Na prächtig!«, dröhnte eine Stimme in der unmittelbaren Nähe seines Ohres. »Er ist gar nicht tot. Er tut nur so.«
Taramis schlug die Augen auf. Es war heller Tag. Er lag noch genau so auf dem Boden, wie der Antisch ihn zurückgelassen hatte. Aber das faltige Gesicht über dem seinen gehörte ohne Zweifel einem anderen. Wer sonst als Jagur konnte ihn auf diese Weise ins Leben zurückholen? War der Kirrie überhaupt fähig, irgendetwas sanft zu tun?
Um ihn herum wurde erleichtert aufgeatmet. Man klatschte sich mit flachen Händen auf die Schultern. Offenbar hatte sich das Häuflein Getreuer vollzählig um ihn versammelt … Abgesehen von Ischáh?
»Er war so gut wie tot«, verbesserte die Ganesin den kleinen Recken.
Taramis quälte seinen Kopf in die Höhe. Reibun und Almin verfolgten den Kraftakt mit offenen Mündern. Am grinsenden Gesicht des Kirrie vorbei sah er sie.
Ischáh stand zwischen den kräftigen Stelzen seines Seelenbaumes und schmierte irgendetwas in die Wunde, die ihm Bohans Schwert zugefügt hatte. »Was macht sie da?«, ächzte er.
»Was weiß ich! Sie erneuert die Kräuterpackung oder ändert die Zusammensetzung der Heilpampe.« Jagur zuckte
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