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Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer

Titel: Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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seiner Umgebung merkte er, wie der normale Strom der Zeit weiterfloss, während er und sein geflügelter Freund wie an einem elastischen Band hingen, das sie mit wachsender Kraft abbremste. Für eine Weile konnten sie es noch dehnen, ehe es sie stillstehen ließ.
    Nie hatte Taramis eine Distanz von vielleicht fünf oder sechs Ipposätzen als derart unüberbrückbar empfunden. So nahe war er dem König von Dagonis gekommen.
    »Spürst du jetzt meine Macht, die ganze Inseln zerbrechen lässt?«, donnerte dieser. Seine angewinkelten Arme bebten vor Anstrengung.
    Darauf vermochte Taramis nichts zu erwidern. Es hätte schlichtweg albern geklungen. Wahrscheinlich wären ihm die Worte ohnehin auf der Zunge erfroren. Starr verharrte er vor seinem Feind, einem imposanten Reiterstandbild gleich. Vom Tempelvorplatz hallte das Geheul des Mobs herauf. Die Menschen hatten ihre Angst vor Eglon verloren. Zitterte der Seelenfresser deshalb so? Versiegte gerade der Quell, aus dem der Lenker seine Macht schöpfte?
    »So stirb nun!«, donnerte der König.
    Jetzt oder nie! Taramis öffnete das Nadelöhr. Alles, was er sich an Willenskraft für diesen einen Augenblick aufgespart hatte, schoss urplötzlich aus ihm heraus.
    Im selben Moment schlug auch Gaal zu.
    Taramis hatte das Gefühl, Abertausende von Angelhaken bohrten sich in seine Haut und zerrten ihn nach allen Seiten. Das also war mit dem Zerfetzen gemeint. Sein Geist stemmte sich gegen die mörderische Kraft an, und plötzlich spürte er in sich ein Brodeln, mit dem er schon nicht mehr gerechnet hatte.
    Das Drachenfeuer brach aus ihm hervor.
    Für kurze Zeit war er viel zu geblendet vom eigenen Glanz, um etwas zu erkennen. Er hörte nur einen markerschütternden Donnerschlag, der rasch in ein metallisches Vibrieren überging. Während der nur langsam abschwellende Ton Taramis in den Ohren gellte, gewann er seine Sehfähigkeit zurück.
    Die Luft schien sich gerade zu verflüssigen. Um jeden Kämpfer bildete sich eine Blase, das erste sichtbare Anzeichen der gewaltigen Energien, die sich zwischen ihnen rieben.
    Am äußersten rechten Rand seines Gesichtskreises nahm Taramis eine Bewegung wahr. Es sah aus, als verneige sich das bärtige Haupt Dagons vor ihm. Dann verschwand es unter der Dachkante. Ein Krachen, das vom Tempelplatz kam, kündete vom unrühmlichen Ende des Götzenbildes.
    Ich verfluche dich!, rief Gaal. Seine fischigen Gesichtszüge waren vor Anstrengung verzerrt, die Zähne zusammengebissen. Taramis vermochte es nur von seinen Lippen abzulesen, denn der kreischende Nachhall des Donners übertönte die Worte. Der ganze Tempelbau bebte.
    Verzweifelt kämpfte er gegen die Starre an, die ihn und sein Ippo immer noch mitten im Galopp festhielt. Ihm wurde schwindlig. Lange konnte er Lurkons Drachenfeuer nicht mehr ertragen. Gao, gib mir Kraft!, flehte er.
    Die Grenzschicht der beiden Energieblasen glühte jetzt. Feurige Schlieren zuckten wie lebendige Wesen daran entlang und verwandelten sich in reines Licht, das vom Punkt des größten Druckes aus nach allen Seiten strahlte. Es war eine ins Groteske gesteigerte Form des Armdrückens, mit dem Taramis und seine Kameraden von der Tempelgarde in der dienstfreien Zeit ihre Kräfte gemessen hatten. Hier wie dort entschied ein einziger Moment der Schwäche über Sieg oder Niederlage. Verbissen hielt er dem todbringenden Angriff Gaals stand, während sein Leben aus ihm herauszubrennen schien.
    Das Zittern des Rundbaus verstärkte sich unterdessen zu einem wilden Schütteln. Um die zwei Kontrahenten herum riss die kupferne Dachabdeckung auf. Knallend zerplatzten Lötnähte. Ächzend wölbten sich Bleche wie feuchtes Papier nach oben. Ein merkwürdiges Klirren hallte vom Platz herauf. Er konnte nur ahnen, dass der Schlagabtausch mit Gaal die emaillierten Ziegel von der Außenwand des Gebäudes sprengte und sie flitternd auf die panische Menschenmenge regneten.
    Das Chaos verschwamm vor seinen Augen, als ihn die Kräfte verließen.
    Dann verlor Allon den Boden unter den Tatzen.
    Als der Bluttempel wie ein riesiges Kirschsoufflé in sich zusammensackte, übermannte auch Gaal die Erschöpfung. Er wurde mit den Trümmern seines steingewordenen Größenwahns in die Tiefe gerissen und verschwand in einer Wolke aus Staub.
    Taramis und sein Rappe hingegen waren plötzlich befreit von dem elastischen Band, das sie festgehalten hatte, und der so entfesselte Schwung schleuderte sie nach vorn.
    Das Zweihorn breitete seine schwarzen Schwingen

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