Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
gewaltiger Schlund. Wie er sehr wohl wusste, handelte es sich dabei um keine Sinnestäuschung. Das Schwarmwesen Carma verschluckte den Donnerkeil.
Dieser Vorgang diente keineswegs der Nahrungsaufnahme, sonst wäre Narimoth kaum mit derselben majestätischen Ruhe weitergeschwallt wie zuvor. Um ihn herum leuchteten Farben in allen Tönen des Regenbogens, nur nicht so intensiv wie bei Taramis’ letztem Besuch auf Malon. Vor zwölf Jahren hatten die Qicks den Feuerstab mit einem atemberaubenden Lichtspektakel begrüßt.
Genau wie damals bildeten die Quallentiere auch jetzt einen gewundenen Tunnel, den zu durchqueren einigen Mut erforderte. Mit ihren Nesseln konnten sie einen leicht betäuben und mit ihrem unersättlichen Appetit rasch verschlingen. Ischáh schien zu wissen, was sie tat. Sie wirkte nicht im Geringsten nervös.
Nach einer guten Viertelstunde – fast doppelt so schnell wie seinerzeit die Drachenkröte Tumba – erreichte Narimoth das Ende des Kanals. Vor ihm öffnete sich ein gigantischer Hohlraum, in dem eine große und mehrere kleinere Schollen trieben. Weit entfernt war ein anderer Donnerkeil zu sehen. Taramis atmete erleichtert auf.
Ischáh wandte sich zu ihm um. »Von hier ab musst du uns führen. Der geheime Weg, den du erwähnt hast, ist mir unbekannt.« Sie waren darin übereingekommen, sich zu dritt in den Palast des Königs einzuschleichen und herauszufinden, wo er das Hemd der Unverwundbarkeit aufbewahrte. Bohan hatte gemeint, sie könnten Leviat vielleicht von Jarmuth ausleihen, ohne ihn mit der Sache zu behelligen. Er habe schließlich genug mit seinen Amtsgeschäften zu tun.
Taramis deutete vage in die Richtung der Hauptinsel, die zwei Kegeln glich, welche an den Grundflächen zusammengefügt waren. »Der Zugang liegt hoch über einer kleinen Bucht. Schwall einfach um die Scholle herum. Sobald ich die Klippe sehe, werde ich mich wieder erinnern.«
»Wir könnten von den Spähern entdeckt werden«, gab Keter von vorn zu bedenken.
»Sie bemerken höchstens eine Geflügelte Streitaxt – das ist für sie der alltäglichste Anblick der Welt«, antwortete Taramis.
»Er hat recht«, sagte die Ganesin zu ihrem Steuermann. »Halt trotzdem etwas Abstand zur Insel. Unser zeridianischer Freund hat bessere Augen als wir alle zusammen. Er wird die Bucht schon finden.«
So war es auch, wenngleich Taramis die Stelle nicht auf Anhieb wiedererkannte. Schwächelte sein Gedächtnis oder hatte sich Malon verändert? Er hoffte, Letzteres war der Fall.
Narimoth schwebte in flachem Winkel auf den Fuß einer riesigen Klippe zu, die sich an der Bruchkante der Insel befand. Auf einem steinigen, fast ebenen Strandstück ließ er sich nieder. Ischáh wies darauf hin, dass er nicht länger als einen Tag auf dem trockenen Land liegen dürfe, sonst werde seine Gesundheit leiden. Donnerkeile brauchten Wasser oder Äther zum Leben.
Taramis nickte. »Wenn wir in vierundzwanzig Stunden nicht zurück sind, sitzen wir entweder im Kerker oder sind tot. Sag Keter, er soll die Scholle dann ohne uns verlassen.«
»Ich habe Ohren und kann schon selbst hören«, knurrte der Steuermann. Seine Miene ließ erkennen, wie wenig er von dem Vorschlag hielt.
»Du tätest gut daran, seinen Rat zu befolgen«, sagte Bohan. Es war abgemacht, dass er zusammen mit Taramis und Ischáh nach Karka marschierte. Die Hauptstadt der Kirries lag tief in dem Bergkegel, der fast die ganze Insel einnahm. »Wir haben es hier mit Piraten zu tun. Mit denen ist nicht zu spaßen.«
»Und wenn schon!«, brummte Keter.
Ischáh legte ihm die Hand auf den Arm. »Du weißt, dass die zwei recht haben. Ich will auf keinen Fall, dass dir oder den anderen Männern etwas zustößt.«
Der Ganese errötete.
Taramis beobachtete dieses Farbspiel auf dem kantigen Gesicht des Seemanns mit einer gewissen Erleichterung, war er doch offenbar nicht der Einzige, der in Gegenwart dieser schönen Frau von seelischen Böen durchgeschüttelt wurde.
»Ich habe Zoldan versprochen, auf dich aufzupassen«, sträubte sich Keter.
Sie lächelte. »Das weiß ich und es ehrt dich. Trotzdem würdest du mich enttäuschen, wenn du Narimoth und meine Männer allein zurückließest.«
Er schlug die Augen nieder. »Was immer du befiehlst.«
Taramis bekam einen Stoß in die Rippen. Fragend wandte er sich Bohan zu. Der Donnerreiter deutete mit dem Kopf zur Ganesin und grinste. In seinem Blick war deutlich zu lesen, was er dachte:
Ganz schön raffiniert, die Kleine. Hoffentlich
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