Die zerbrochene Welt 02 - Feueropfer
Lendenschutzes. Während er noch keuchend zusammenbrach, wandte sie sich schon dem nächsten Angreifer zu.
»Ich kämpfe mit Malmath «, rief sie. Ihre orangefarbenen Augen blitzten wie die Morgensonne. »Das Schwert, das sogar den mächtigen Gaal das Fürchten lehrte. Lasst meinen Sohn los oder es wird euch alle ins Haus der Toten schicken.«
Tatsächlich wichen die drei anderen Krieger ein Stück vor ihr zurück.
»Wenn du dich weiter wehrst, stirbt dein Kind«, sagte eine schnarrende Stimme in einem kehligen Dialekt. Hinter der Scheune trat ein Antisch hervor. Shúria erschauerte. Sie hatte sich nie an den Anblick menschlicher Wesen mit den Köpfen von Feuerfischen gewöhnt.
Offenbar handelte es sich um den Reiter der Ätherschlange, möglicherweise sogar um den Anführer des Trupps. Er lief in sicherem Abstand an ihr vorbei auf die Männer zu, die den zappelnden Jungen festhielten. Im ersten Augenblick glaubte sie noch, die Nerven spielten ihr einen Streich, weil die blass getigerte Haut des Dagonisiers sie an Reghosch erinnerte, jenen Sohn Gaals, der sich selbst Bochim genannt hatte. Dann bemerkte sie jedoch Unterschiede in der wesentlich feineren Zeichnung und vor allem in der Statur dieses nicht ganz so riesenhaften Feuermenschen. Kaum hatte er Ari erreicht, trat er hinter ihn, zückte einen Dolch und hielt ihm die Klinge an den Hals.
Shúria schluckte. In ihrem glühenden Zorn hatte sie mit dem Naheliegendsten nicht gerechnet. Fieberhaft suchte sie nach einem Ausweg.
Die Soldaten bildeten einen Ring um sie.
»Was ist?«, verlangte der Feuermensch. »Willst du kämpfen und den kleinen Lurch hier verlieren, oder streckst du die Waffen und kommst mit uns nach Peor?«
Sie senkte den Blick auf ihre Schwerthand. Die Fingerknöchel waren hell wie Elfenbein. Resignierend schüttelte sie den Kopf. Es war das Beste, vorerst nachzugeben. Um ihres Sohnes willen. Wütend schleuderte sie Schild und Schwert in den Staub.
Plötzlich spürte sie einen Schlag am Hinterkopf. Ihr wurde schwindlig und speiübel. Sie öffnete den Mund, um Aris Namen zu rufen. Er weinte. Warum habe ich nicht besser auf dich aufgepasst? Dann verschwamm alles vor ihren Augen und sie verlor das Bewusstsein.
12. Der Palast der tausend Augen
D ie Nachricht musste sich in Karka wie ein Lauffeuer verbreitet haben. Hunderte von Kirries bevölkerten die Straßen der Stadt. Jeder wollte den Bezwinger des doppelköpfigen Ungeheuers sehen. Was als Gefangennahme im Verborgenen begonnen hatte, geriet für den Helden wider Willen zum Triumphzug. »Der Lurkon ist tot! Es lebe Taramis Drachentöter«, jubelte ihm die Menge zu. Und Jarmuth sonnte sich in seinem Licht.
»Ihr seid noch gar nicht richtig da, und schon pfeifen es alle Fledermäuse von den Dächern«, dröhnte der gut gelaunte König, um die skandierende Menge zu überstimmen. Seine weißen Blindhunde liefen voraus und knurrten jeden an, der dem Monarchen zu nahe kam. »Versteht Ihr jetzt, was Eure Tat für das Volk vom Berge bedeutet?«
Taramis gab den Versuch auf, die Höhe der Hauptstadthöhle zu schätzen. Obwohl Hunderte von Lichtsteinen sie erhellten, konnte er keine Decke ausmachen. Er wandte sich Jarmuth zu und erwiderte verdrossen: »Es ist nicht zu überhören.« Die Siegerpose hatte ihm nie gelegen. Er tauschte einen Blick mit Ischáh, die ihm ermutigend zunickte. Bohan grinste nur, als genieße er den Empfang wie ein Vollbad in den Thermen von Peor.
Eine Eskorte aus sechzig Männern bahnte dem Anführer, seinen drei Gästen sowie den vierbeinigen Zwillingen Racost und Ullpox den Weg. Taramis hatte vor Jahren den verfallenen Teil der Hauptstadt von Malon kennengelernt, der ein gutes Stück unter dem neuen Karka lag. Was er dagegen nun zu sehen bekam, war gelinde gesagt überraschend.
Den Kirries wurde nachgesagt, ein wildes Völkchen zu sein, das keinen Wert auf Sauberkeit, Ordnung und Schönheit legte. Das war zweifellos ein Vorurteil, welches zwar wie alle Klischees einer gewissen Wirklichkeitsnähe nicht entbehrte, in seiner Pauschalität aber den Tatsachen kaum standhielt. Gewiss, Kirriefrauen trugen gewöhnlich Vollbärte und waren ebenso runzlig wie das starke Geschlecht. Gleichwohl fanden ihre Männer sie nicht weniger liebreizend als etwa die Ganesen ihre elfengleichen Gefährtinnen. In Sachen Ästhetik und Gemütlichkeit setzten die Kirries einfach andere Schwerpunkte.
Ganz deutlich zeigte sich dies an ihren Pilzhäusern. Ihnen fehlten fast völlig die von anderen
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