Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
keine vernünftige Verteidigungsstrategie entwerfen.«
Der Angesprochene griff zum Becher, wahrscheinlich eine Geste der Verlegenheit. Er nippte nur daran. Bisher hatte er wenig zum Entwurf eines Schlachtplans beizutragen vermocht. Auf einmal ließ er das Trinkgefäß auf den Tisch zurücksinken und rief: »Jâr’ens finstere Schwester.«
»Wie bitte?«
»Ich Narr. Das hätte mir auch früher einfallen können. Am Tag bevor Shúria bei uns auftauchte, traf sich mein Vater mit König Gaal im Lager der vereinigten Heere. Ich befehligte die Leibwächter des Khans und war mit im Zelt, als die beiden miteinander sprachen. Das Fischgesicht hatte seine Pläne geändert. Anders als zuvor wollte er jetzt einen Überraschungsangriff auf die Heilige Insel unternehmen. Zunächst konnte sich mein Vater für die Idee nicht recht erwärmen. Das änderte sich erst, als Gaal Jâr’ens finstere Schwester erwähnte. Er meinte, dies sei …«
»… eine Scholle, die alle sieben Jahre dicht an Jâr’en vorüberzieht«, sagte Marnas. Er schüttelte den Kopf. »Warum ist mir das nicht früher eingefallen!«
»Du meinst Xoth?«, fragte Adriël. »Ich wusste nicht, dass man sie so nennt.«
»Purgor nannte sie immer so. Er war ein Freund von Eli – bis Gaals Sohn ihn ermordet und seine Gestalt angenommen hat, um den ersten Überfall auf Jâr’en zu ermöglichen.«
»Der König von Dagonis sagte, die Wüsteninsel sei wie dafür geschaffen, ein riesiges Heer ganz dicht an Jâr’en heranzuführen«, erinnerte sich Timur.
Taramis nickte. »Sie kann mehr Krieger und Waffen transportieren als ein Schwarm von Schwallern, und niemand vermag sie aufzuhalten. Seit meiner Kindheit habe ich zweimal erlebt, wie Xoth die Heilige Insel verfinsterte. Es war irgendwie unheimlich. Am helllichten Tag wurde es beinahe so dunkel wie in der Nacht.«
»Alles ideale Bedingungen für einen Überfall«, brummte Marnas.
»Wann kommt es zur nächsten Begegnung?«, erkundigte sich Adriël bei dem alten Priester, dessen Namen Yula nicht kannte.
»In zwei Tagen«, antwortete dieser.
»Allmächtiger!«, stieß Marnas hervor. »Das ist früher, als ich befürchtet habe. Wie viele Männer haben wir, Taramis?«
»Zu wenige, um den Gegner einzuschließen und aufzureiben. Nachdem gestern Peridas mit seiner komanaischen Garde zu uns gestoßen ist, zählen wir vierzigtausend Fußsoldaten und siebentausend Reiter, die meisten auf Pferden und Stegonten.«
»Wichtig sind die Mamoghs.«
»Die Veteranen der Tempelgarde und die Jäger, die aus Zeridia herübergekommen sind, haben ihre Schwaller mitgebracht. Zusammen kommen wir auf ungefähr tausend Tiere.«
»Auf ihrer Beweglichkeit wird unsere Strategie aufbauen. Außerdem haben wir den Vorteil kurzer Befehlswege. Im Vergleich zu uns ist Gaals Armee ein bunt zusammengewürfelter Haufen, der erheblich schwerer zu lenken ist als unsere straff geführte Truppe.«
»Entscheidender ist wohl, dass die Kinder des Lichts nicht um Landgewinn und Macht kämpfen. Für sie geht es um die nackte Existenz.«
»Und die Freiheit, den Herrn der Himmlischen Lichter anzubeten«, warf Adriël ein.
»Ich hoffe nur, unsere Anstrengungen finden Gaos Wohlgefallen«, brummte Taramis. »Bei der erdrückenden Übermacht der Dagonisier sind wir auf seinen Segen dringend angewiesen. Wenn wenigstens die Verstärkung durch die Kirries schon da wäre! Ihre Kampferfahrung und ihre Geflügelten Streitäxte könnten wir gut gebrauchen.«
»König Jarmuth lässt uns nicht im Stich«, versprach Simli. »Er dürfte zehntausend Kämpfer und vier- bis fünfhundert Donnerkeile von allen malonäischen Inseln mobilisieren können.«
Jagur hieb mit der Faust auf den Tisch, dass die Becher klapperten. »Und jeder verdammte Pirat kämpft besser als eine Handvoll Männer, die Gaals Rekrutenfänger in der Zentralregion eingesammelt haben.«
»Die Frage ist doch, ob die Kirries uns rechtzeitig erreichen«, versetzte Zur. »Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass eine Viertelmillion Krieger über die Insel der Seelenbäume herfallen und Tausende Unschuldige töten.« Wie schon mehrfach zuvor suchte er Blickkontakt mit Siath, von der Yula nur den Rücken sah.
»Da sind wir uns wohl alle einig«, brummte Jagur.
»Kater Zur hat den Nagel auf den Kopf getroffen«, sagte Taramis. »Wir fangen die Dagonisier ab, bevor sie Jâr’en erreichen. So verhindern wir, dass sie im Garten der Seelen wüten.«
»Und wie willst du das anstellen?«, fragte Peridas.
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