Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
Sie hatte Taramis’ Langbogen und den Pfeilköcher mitgebracht.
Er senkte den Feuerstab, und der Goldmilan landete auf dem Arm der Ganesin.
»Ich wüsste zu gerne, was hinter dem Qualm vor sich geht«, brummte Jagur. Er hielt seinen Blick unverwandt auf die Mauer aus Feuer und Rauch gerichtet.
»Dasselbe dürften die anderen auch denken«, erwiderte Taramis.
»Tosu hat Ischáh gefunden. Sie ist auf dem Weg hierher«, meldete Siath.
»Gott sei Dank!«
Sie ließ ihren Greif wieder aufsteigen, reichte Taramis die Waffen und deutete mit dem Kopf zur Feuerfurche hinüber. »Der Lärm hat mich auf die Idee gebracht, dass du vielleicht ein paar Pfeile verschießen möchtest.«
»Danke.« Er nahm ihr Köcher und Bogen ab. »Kümmere dich bitte um Shúria und die Kinder. Hier könnte es gleich ungemütlich werden.«
»Könnte? Warum müsst ihr Männer nur immer so tun, als würde euch nichts erschüttern.« Sie verdrehte die Augen, wandte sich um und verschwand durch die Tür.
»Wieso hat unser Blondlöckchen so schlechte Laune? Ist doch ein herrlicher Morgen«, knurrte Jagur. Wegen des Lärms vom Feld her war er kaum zu verstehen.
»Was macht dein Donnerkeil?«, rief Taramis. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
»Schwallt noch im Äther herum.«
»Wir brauchen ihn aber hier .«
»Hetz mich nicht! Ich arbeite daran. Kümmer du dich lieber um die Bande auf dem Acker.«
»Keine Sorge, im Geiste bin ich längst auf dem Schlachtfeld da draußen.«
»Das Haus!«, keuchte Jagur unvermittelt. »Es ist gerade über den Stall gesprungen. Meine Güte, so sturzbetrunken kann ich doch gar nicht sein.« Anscheinend waren die drei Gebäude des Gehöfts um gut fünfzig Schritte nach links versetzt worden.
»Bist du auch nicht. Es ist nur eine Gaukelei.«
»In dieser Größe? Sei vorsichtig, Taramis! So ein riesiges Trugbild kostet dich einen Haufen Kraft.«
Tatsächlich hatte Taramis vor Anstrengung kaum seine Gesichtszüge unter Kontrolle. »Unsere Gegner werden gleich durchbrechen. Irgendwie müssen wir die Frauen und Kinder vor weiteren Brandpfeilen schützen.« Er ließ den Blick an der lodernden und qualmenden Furche entlangwandern. An einigen Stellen erloschen die Flammen bereits. Jeden Moment würde die Feuerbastion fallen. Hoffentlich wartete der Feind nicht zu lange auf freie Sicht.
Plötzlich brach der erste Stegontenreiter durch die Barriere. Ohne Gaukelei oder sonstige Tarnung preschte er aus dem aufsteigenden Qualm hervor. Links und rechts von ihm erschienen weitere Krieger auf ihren stampfenden Dreihörnern.
»Jetzt!«, hauchte Taramis und stemmte seinen Geist unter die Forken . So nannte er die langen Baumstämme, in denen Zinken aus angespitzten Pfosten staken. Drei Reihen dieser tödlichen Hindernisse hatte er mit seinen Helfern hintereinander gestaffelt. Schweißtropfen traten auf seine Stirn, als er die schweren Barrieren nun mit seinem Willen aufrichtete.
Rauch und Feuer nahmen den Stegontenreitern die Sicht. So bemerkten viele zu spät, dass sie ihre Tiere geradewegs in die schräg aufragenden Spitzpfähle trieben. In vollem Galopp spießten sich etliche Dreihörner daran auf und schleuderten ihre Reiter in die zweite oder sogar dritte Pfostenkette. Todesschreie gepfählter Menschen und Stegonten hallten über das Schlachtfeld.
»Die tragen ihre Haare offen«, sagte Jagur unvermittelt. Er hatte den Axtkopf zu Boden sinken lassen und seine Hand auf den Stiel gestützt.
Taramis sah ihn verständnislos an. »Was?«
»Die Krieger. Sind dir ihre Mähnen nicht aufgefallen? Außerdem scheinen sie alle tätowiert zu sein, soweit ich das erkennen kann. Es sind Drachenmenschen.«
»Kesalonier?« Taramis entsann sich der Erzählungen seines Meisters von den marodierenden Banden aus dem entlegenen Inselreich. Vor vielen Jahren hatten sie sogar einmal die Heilige Insel bedroht. Erst durch eine Allianz aus Tempelwächtern, Komanaern und anderen Völkern waren die wilden Scharen in die kesalonischen Steppen zurückgedrängt worden.
»Vielleicht ist dieser Überfall nur ein gewöhnlicher Raubzug«, sinnierte der ehemalige Pirat, als seien derartige Übergriffe so normal wie ein Sommergewitter.
Taramis hatte wieder die Augen geschlossen und hörte dem Kirrie nur noch mit halbem Ohr zu. Das Trugbild aufrechtzuerhalten war schon mühsam genug. Und dabei durfte er es ja nicht belassen. Auch die Spitzpfähle vermochten den Gegner nicht lange aufzuhalten. Höchste Zeit, die nächste Barriere in Stellung zu
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