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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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bringen. Dazu musste er bis an die Grenze der Reichweite seines Fernwirkens gehen. Zur Rechten, hinter dichten Büschen verborgen, gab es ein System aus Wehren, zum Regulieren der Pegel im Bach und in den Bewässerungskanälen.
    Wie von Geisterhand senkten sich nun, einen Bogenschuss vom Hof entfernt, hölzerne Schwellen herab. Die unbändige Flut des Frühjahrshochwassers schoss in den einzigen noch unverschlossenen Graben, der etwa zwei Manneslängen tief und vier Schritte breit war. Wie schon die Feuerfurche hatte Taramis auch diesen dritten Verteidigungsring mit Schilfmatten und einer dünnen Schicht Erde abdecken lassen.
    Erschöpft öffnete er die Augen und erschrak.
    Jagur stand nicht mehr neben ihm unter dem Vordach. Mit wirbelnder Axt lief er auf einen Kesalonier zu, der kaum größer war als er selbst. Es musste sich um einen Stegontenreiter handeln, der ob seiner Leichtigkeit über sämtliche Barrieren hinweggeschleudert worden war, als sein Tier sich in den Spitzpfählen verfangen hatte. Der Mann trug nur einen Lederpanzer und einen kurzen Schurz, der eine Handbreit oberhalb der Knie endete. Die unbedeckten Beine, Oberarme und das Gesicht des stämmigen Kriegers waren dicht mit verschlungenen Mustern tätowiert. Er schoss mit seinem Rundbogen einen Pfeil auf den Kirrie ab.
    Dessen Streitaxt wirbelte herum und fegte die tödliche Bedrohung wie eine lästige Hornisse aus dem Weg. Der kleine Recke war nicht einmal stehen geblieben. Mit wütendem Gebrüll stürmte er weiter auf seinen Gegner zu.
    So hatte sich Taramis den Durchbruch eigentlich nicht vorgestellt. Im Kampf Mann gegen Mann standen ihre Chancen bei einer solchen Übermacht ausgesprochen schlecht. Er zog blitzschnell einen Pfeil aus dem Köcher, legte an und schoss.
    Der Kesalonier brach mit durchbohrtem Herzen zusammen.
    Jagur kam schlitternd zum Stehen, wirbelte herum, rammte zornig den Axtkopf in den Boden und brüllte: »Musste das sein?«
    »Wir sind nicht zum Vergnügen da«, rief Taramis. »Die Frauen und Kinder brauchen uns hier . Komm sofort wieder her, und kümmere dich um deinen Donnerkeil.«
    »Hab ich schon. Aviathan ist auf dem Weg. Anstatt die Zeit totzuschlagen, bis er da ist, sollten wir lieber Kesalonier erschlagen. Die Drachenmänner sind Geisterbeschwörer und Frauendiebe. Gao hat bestimmt nichts dagegen, wenn es ein paar weniger von ihnen gibt.«
    »Aber ich. Auf meinem Land gilt mein Gesetz. Mach, dass du endlich herkommst, Jagur. Du wirst gleich genug zu tun bekommen.«
    Missmutig vor sich hinbrummelnd stapfte der Kirrie zum Haus zurück. Ehe er es erreichte, überwanden hinter ihm weitere Kesalonier den zweiten Ring. Etliche Spitzpfähle waren unter dem Gewicht der Stegonten zusammengebrochen, andere konnten wegen der darauf steckenden Leichen ihren Zweck nicht mehr erfüllen. Die nachdrängenden Krieger stiegen einfach über die Kadaver und toten Stammesbrüder hinweg.
    »Wie viele Überraschungen hast du noch in petto?«, knurrte Jagur, als er wieder neben seinem Freund Stellung bezog.
    »Eine einzige«, antwortete Taramis mit finsterer Miene. Er fühlte sich ausgelaugt, als hätte er einen ganzen Tag auf dem Feld geschuftet.
    Wie die Fluten bei einem gebrochenen Deich strömten immer mehr Kämpfer durch die Breschen des Verteidigungsrings. Inzwischen waren sie nahe genug, um ihre Gesichter zu erkennen. Ob ihrer Tätowierungen glichen sie dämonischen Fratzen. Während die Kesalonier auseinanderfächerten, legte Taramis einen weiteren Pfeil auf die Sehne. »Kannst du den Anführer ausmachen, Jagur? Ich vermute, er reitet einen Stegonten.«
    »Du glaubst, wenn du ihn tötest, machen sich seine Männer vom Acker?«
    »Es wäre einen Versuch wert.«
    »Ich finde, durch die Kriegsbemalung sehen alle gleich aus.«
    »Danke für die Hilfe.«
    »Keine Ursache.«
    Plötzlich fuhr ein Windstoß in die Rauchschwaden und enthüllte eine Gestalt. Einen Reiter. Reglos spähte er zum Haus herüber. Saß er tatsächlich auf einem Ross? Zumindest entspräche dies der geläufigen Vorstellung vom Drachenvolk. Während sie im Weltenozean kleine, ausdauernde, amphibische Schwall- und Flugdrachen ritten – die Äthersalamander  –, bevorzugten sie zu Lande ihre struppigen Pferde.
    Taramis ließ die Sehne los. Der Pfeil zischte über die Köpfe der heranrückenden Krieger hinweg und verschwand in dem Vorhang aus Qualm, der sich gerade wieder zusammengezogen hatte. Als erneut eine Bö die Schleier lüftete, war der Reiter

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