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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hatte ihn eine Gruppe Fischköpfe zu einer der kleineren, unbewohnten Schollen am Rande des Atolls verschleppt, wo sie ein geheimes Lager unterhielten. Es diente ihnen als Stützpunkt zur Erkundung des Zeridia-Archipels und als Sammelstelle für weitere Gefangene.
    Die Stammesbrüder, auf die er dort getroffen war, mussten Schreckliches erlebt haben. Viele waren apathisch gewesen und völlig verängstigt. Die Aussicht auf noch grausamere Qualen hinderte sie an der Flucht. Für Lauris dagegen hatte das Morgen keine Rolle mehr gespielt. Tiere leben für die Gegenwart, solange der Instinkt sie nicht zur Vorsorge für kommende Tage mahnt.
    Unmittelbar nach seiner Ankunft hatte er sich die Kleider vom Leib gerissen, weil sie ihn rasend machten. In den kühlen Nächten danach hätte er sich einen Pelz gewünscht, wenn sein Verstand zu solchen Schlussfolgerungen fähig gewesen wäre. Wie eine große Raubkatze war er stundenlang in seinem Käfig auf und ab gelaufen, ständig nach einer Möglichkeit Ausschau haltend, seinen Wärtern zu entkommen. Er war Regen und Kälte, Hunger und Durst ausgesetzt. Manchmal hatten ihn die Fischköpfe nur zum Vergnügen mit ihren dreizinkigen Speeren gequält. Und so war der vergessene Jäger immer mehr verwildert. Er hatte sich ein zweites Mal verwandelt: in eine mordende Bestie.
    Dann war eine riesige Drachenkröte eingetroffen, mit der die Gefangenen weitertransportiert werden sollten. Man hatte den Zwinger geöffnet, um Lauris mit Schlingen und Dreizacken zu bändigen. Er hatte drei Wärter getötet und war geflohen.
    Von da an war er der König der namenlosen Insel gewesen.
    Natürlich hatten die Dagonisier versucht ihn wieder einzufangen. Auf diese Weise verloren sie ungefähr zwei Dutzend Krieger. Für den Vergessenen waren sie nur noch die Fischköpfigen oder Gestreiften. Seiner Sprache beraubt, musste er die Welt völlig neu ordnen. Namen hatten keine Bedeutung mehr gehabt. Dagegen konnte das Aussehen, der Geruch oder der Geschmack über Leben und Tod entscheiden.
    Die Antische hatten sein Überleben gesichert. Sie waren Beute gewesen, die ganz von alleine kam, um sich erlegen und auffressen zu lassen. Jetzt, im Nachhinein, widerte ihn der Gedanke an, dass er sich von Menschenfleisch ernährt hatte. Doch als vergessener Jäger waren ihm solche Vorbehalte fremd gewesen. Er hatte einfach diejenigen getötet, die in seinem Kosmos für Hunger und Schmerz standen.
    Eines Tages waren die Dagonisier verschwunden, und Lauris herrschte fortan allein über die namenlose Insel. Wie lange hatte dieser Zustand angehalten? Ein Tier zählt nicht die Stunden, es lässt sich im Wandel der Jahreszeiten treiben wie in einem großen Strom. Daher konnte er aus seinen bildhaften Erinnerungen die Dauer der Verbannung seines Geistes nur ungefähr abschätzen. Es mochten zehn Jahre gewesen sein, möglicherweise sogar mehr.
    Die Rückkehr der Dagonisier in sein Reich lag jedenfalls nur wenige Tage zurück. Was hatte sie dazu bewogen? Sollten sie das seinerzeit Versäumte nachholen und ihn doch noch einfangen? Oder wollten sie beobachten, was die dunkle Wolke auf der Scholle anrichtete?
    Dagonis lag der Legende nach irgendwo im lichtlosen Zentrum von Berith. Auch die mit Angst durchsetzte Finsternis war aus der Mitte der Welt gekommen. Somit erschien es Lauris nur vernünftig, einen Zusammenhang zwischen beidem zu vermuten …
    Er horchte auf. Über seinem Sinnieren war es auffällig still geworden im Uralten. Hier und da erspähte er ein paar Vögel, kleinere Schwallechsen und andere Waldbewohner. Offenbar waren sie von der Raserei direkt in einen tiefen Schlaf gefallen. Und was käme danach?
    Etwas Schreckliches, antwortete sein Instinkt. Dieser sechste Sinn hatte ihm zu oft das Leben gerettet, um ihn einfach zu ignorieren. Er sagte ihm, dass diese Finsternis vom Mittelpunkt der Welt Unheil in sich trug wie eine regenschwere Gewitterwolke. Sollte sich das Dunkel weiter ausbreiten, waren alle Völker Beriths in Gefahr …
    Aus der Ferne hallte das Knacken eines brechenden Astes zu ihm herüber.
    Der Fischkopf!
    Wer sonst, wenn nicht er, konnte sagen, ob es einen Zusammenhang zwischen der Wolke und den Dagonisiern gab? Man musste ihn nur fragen.
    Lächelnd hob Lauris seine beiden Speere auf. Erstaunlich, wie gut die einfachen Waffen in der Hand lagen. Offenbar hatte er sogar in der Zeit seiner geistigen Umnachtung unbewusst vom Wissen des Jägers aus Zeridia profitiert. Und nun verbanden sich die Instinkte

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