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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gewaltigem Getöse zusammen, und eine Staubwolke raubte ihm die Sicht.

19. Unstillbares Verlangen
    R eiterlos durchpfeilte die Ätherschlange das Dunkel, das die Insel Dagonis umgab. In ihrem Maul trug sie einen leblosen Antisch. Niemals zuvor hatte ein Vater so um seinen toten Sohn getrauert.
    Der Leichnam war nicht schwerer als ein Häuflein Asche. Das allein heizte schon Gaals Rachegelüste an. Er verspürte das unstillbare Verlangen, Taramis für seine Dreistigkeit leiden zu lassen. Reghosch mit dem Feuerstab im Zweikampf zu töten, war eine Sache, den Prinzen von Dagonis als Köder zu benutzen, eine ganz andere. Damit hatte der zeridianische Lurch den mächtigsten Mann der Welt verhöhnt. Und seinen Stolz verletzt. Taramis würde es noch bitter bereuen.
    In der Gestalt von Arromog überquerte Gaal den heiligen Gedogh. Die Schwärze im Krater raubte ihm fast den Atem. Bald! , dachte er. Bald hatte er es geschafft. Die ersten beiden Opfer waren erbracht. Sie hatten den Herrn der unendlichen Tiefen aus dem Schlaf erweckt und ihm die Macht gegeben, den Samen der Dunkelheit auszubringen. Zur Großen Erweckung bedurfte es nur noch der dritten und kostbarsten Gabe. Sie würde Dagon unsterblich machen.
    Die Ätherschlange flog zum Königspalast, einer Ansammlung monumentaler Bauwerke am Fuße des Gedogh. Ihre Formgebung war eine auf das Notwendige reduzierte Nachahmung des heiligen Berges: Auf einer breiten Basis ruhte ein sich nach oben hin verjüngendes Steingebirge. Der Grundriss der Gebäude war quadratisch oder rechteckig. Von den Fenstern abgesehen, boten die Fassaden wenig Abwechslung. Der Palast beeindruckte vor allem durch seine schiere Größe.
    Die Anlage war in einen weitläufigen Park eingebettet, in dem eine gut sortierte Auswahl an Pflanzen wuchs, die ohne Lufthülle gedeihen konnten. Man fand dort leuchtend gefärbte Korallenstöcke, unterschiedlichste Ätherbüsche, bunte Beete mit Seeanemonen und froschgrüne Algenwiesen. Eines jedoch fehlte im königlichen Garten. Seit seinem ersten Überfall auf Jâr’en bedauerte Gaal, dass es auf Dagonis keinen einzigen Baum gab.
    Der Drachenwurm ging auf einer ausgedehnten Grünfläche nieder, die den Palast von der angrenzenden Hauptstadt des Reiches trennte. Noch ehe er den Boden berührte, verwandelte er sich in den Vater zurück, der seinen toten Sohn auf den Armen trug. Einmal mehr staunte der König, wie leicht Reghoschs verdorrter Körper war.
    Die Rückkehr des Herrschers war nicht unbemerkt geblieben. Sofort eilte eine Schar von Leibwächtern herbei. Wenig später waren auch einer der Oberpriester, ein ganz in Schwarz gekleideter kahler Bulle mit grün-roter Tigerung sowie ein halbes Dutzend Palastdiener zur Stelle. Früher hatte Takkath stets zu den Ersten gehört, die ihren Herrn willkommen hießen, und Gaal hätte ihm den Leichnam des Prinzen anvertraut. Doch sein Adjutant würde ihn nie wieder begrüßen. Taramis hatte es erneut geschafft, einen der besten Krieger des Dagonisischen Reiches zu töten. Dieser verfluchte Lurch!
    Beim Gedanken an seinen ärgsten Widersacher stieg abermals unstillbarer Rachedurst im König auf. Im Rückblick erschien ihm die Hoffnung, seinen Sohn lebend auf Toss vorzufinden, wie eine kindliche Träumerei. Schon als er die Insel in Gestalt eines Kalongs – eines großen Flughundes mit Fuchskopf – erkundet hatte, waren ihm Zweifel am überstürzten Abzug der komanaischen Grenztruppe gekommen. Daher hatte er auch seinen Doppelgänger zur Ablenkung aufs Dach des Gefängnisturmes geschickt.
    »Gelobt sei der Herr der unendlichen Tiefen, dass er Eure Rückkehr nach Dagonis überwacht hat«, begrüßte der Priester sein geistliches und weltliches Oberhaupt. Mit einem Seitenblick musterte er die trockene Hülle des ausgebrannten Kronprinzen.
    »Das ist Reghosch«, erklärte der König, »unser einstiger Hoffnungsträger, der in Peor ermordet worden ist. Er wird keine Ruhe finden, ehe ich Dagon nicht das dritte Opfer dargebracht habe.« Gaal übergab dem überraschten Glatzkopf kurzerhand die verdorrte Leiche. »Kümmert Euch um ein angemessenes Begräbnis für meinen Sohn.«
    Der Priester sah etwas ratlos aus, als er mit dem Verblichenen in den Händen dem davoneilenden Monarchen hinterherblickte. »Wann soll denn die Totenfeier stattfinden, Majestät?«
    »Ihr könnt Euch Zeit lassen, ich reise noch heute wieder ab«, entgegnete Gaal, ohne sich umzudrehen. »Reghosch ist haltbar. Ich trauere um ihn, nachdem ich die Welt

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