Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung
bitte entschuldigt«, murmelte Ybia. »Ich lasse mir regelmäßig Pistazien aus der Zentralregion schicken, für mich einer der höchsten Genüsse.«
»Also ich find’s gemütlich«, bemerkte der Zwerg. Der Dagonisier strafte ihn dafür mit einem strengen Blick.
»Wollt Ihr nicht Platz nehmen?« Ybia wies auf die runden Sitzpolster, die überall im Raum verteilt waren.
»Vielen Dank. Wir stehen lieber«, behauptete Gaal.
»Welchem Anlass verdanke ich die Ehre Eures Besuches?« Der Tyrann war froh, das bodenlange rote Cape mit den glitzernden Goldfäden noch nicht abgelegt zu haben. Der Umhang verlieh ihm nicht nur mehr Würde, er bedeckte auch seine Flügel, diese übergroßen Fledermausschwingen, die ihn für Fremde zu einem Monstrum machten.
Gaal bahnte sich erstaunlich trittsicher einen Weg durch die verstreuten Pistazienschalen, ohne nur eine einzige zu berühren. Sein Begleiter zermalmte dafür umso mehr. Der König suchte sich eine einigermaßen saubere Stelle in den Schatten des schwach beleuchteten Zimmers und atmete tief ein. »Ihr erinnert Euch an meinen Hinweis?«
Ybia rieb sich die Hände. »Ich … weiß gerade nicht, wovon Ihr redet.«
»›Eines Tages könnte jemand kommen‹, habe ich Euch gewarnt.«
»Daran erinnere ich mich.« Der Tyrann gönnte sich ein dünnlippiges Lächeln. »Er sei wie ein Blutegel, den man nicht mehr loswird, wenn er an einem dranhängt, habt Ihr gesagt.«
Der König von Dagonis wechselte einen Blick mit seinem Begleiter. »Jetzt hat er sich festgesaugt. Unsere … Vereinbarung steht kurz davor, aufzufliegen.«
»Der Zeitpunkt könnte unpassender nicht sein. Ich bereite gerade eine neue Lieferung für Euch vor.«
Gaal knabberte auf seiner Unterlippe. Eine Marotte, die Ybia bei dem sonst so souveränen Antisch bisher nie aufgefallen war. »Wie viele?«, fragte der König.
»Tausend Sklaven, so wie vereinbart.«
»Sklaven …«, murmelte Gaal.
»Ihr …« Ybia schlich etwas dichter an den Dagonisier heran. Dabei bemerkte er eine Pistazienschale direkt vor dessen Fußspitze. Es war ihm unangenehm, einen so hohen Gast in diesem Abfallhaufen zu empfangen. Er war versucht, sich zu bücken und den peinlichen Makel zu beseitigen. Noch zwei Schritte …
Plötzlich trat ihm der Zwerg in den Weg und legte seine Hand auf den Axtkopf. »Das ist nahe genug.«
Ybia ignorierte den aufdringlichen Wicht, so gut es ging, und lächelte über dessen Kopf hinweg den König an. »Ihr kommt mir heute irgendwie verändert vor, Hoheit.«
Der gestreifte Riese schnaubte. »Wundert Euch das? Die Sache steht auf Messers Schneide. Dieser Lurch will meine Pläne mit aller Macht durchkreuzen. Die tausend Sklaven – handelt es sich dabei um … gute Ware?«
»Nicht schlechter als die vielen, die ich Euch in den letzten Jahren geliefert habe.«
»Verzeiht, o König«, richtete der Zwerg überraschend das Wort an den Dagonisier. »Wenn Ihr mich schon zu diesem geheimen Treffen mitnehmt, wollt Ihr mir dann nicht auch verraten, was es mit diesen Sklaven auf sich hat?«
Gaal wedelte ungeduldig mit der Hand. »Erklärt Ihr es ihm, Ybia.«
»Wie gut seid Ihr mit uns Zioranern vertraut?«, fragte der.
»Wir haben Fledermäuse in unseren Höhlen, die Euch ähnlich sehen«, brummte der bärtige Krieger.
Ybia seufzte. Ein Ignorant mit Streitaxt. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Er zwang sich zu einem Lächeln. »Wegen des rauen Klimas auf dieser schönen Insel können wir uns nur innerhalb weniger Tage im Jahr vermehren. Dazu bedienen wir uns einer sehr wirksamen Methode, die Euch aus dem Pflanzenreich bekannt sein mag. Wir hauchen im Frühjahr unsere Pollen in den Wind. Es gibt zwei verschiedene Arten davon. In der Luft vereinigen sie sich, was wohl ungefähr Eurer Art der Fortpflanzung entspricht, nur dass wir nicht zwischen Mann und Frau unterscheiden.«
»Wo bleibt da der Spaß?«, grunzte der Zwerg.
Gaal bedachte ihn erneut mit einem strafenden Blick.
»Verzeiht.« Der Wicht gab Ybia einen Wink. »Bitte sprecht weiter. Was geschieht mit Eurem Blütenstaub?«
Der Gefragte musste sich beherrschen, den ebenso breiten wie hohen Zwerg nicht mit Verachtung zu strafen. »Nachdem sie miteinander verschmolzen sind, werden sie von anderen Lebewesen eingeatmet und nisten sich in deren Lungen ein. Die erste Reaktion darauf gleicht der Tollwut. Nach kurzer Zeit klärt sich das Bewusstsein der Befallenen aber wieder. Sie erscheinen völlig normal. Fast unbemerkt bereiten die Larven indessen
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