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Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung

Titel: Die zerbrochene Welt 03 - Weltendämmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Jagur.
    »Vielleicht beides?«, sagte Taramis. Eigentlich spielte es keine Rolle, ob sie es mit belebten Eisfiguren oder mit verwandelten Ungeheuern zu tun hatten, die aus einem frostigen Schlaf erwacht waren.
    Der Ring zog sich enger zusammen. Aus dem wirbelnden Dunkel schälten sich Drachen, Zyklopen, doppelköpfige Unholde, geflügelte Werwölfe, schlangenbeinige Riesenspinnen und andere Ausgeburten kranker Phantasien.
    »Das wäre ein guter Zeitpunkt, die Fliege zu machen«, bemerkte Jagur.
    »Bei dem Sturm? Das kannst du vergessen. Vielleicht hilft es, wenn ich uns mit einer kleinen Gaukelei selbst in Eisfiguren verwandle. Das mag sie verwirren. Der Rest ist Handarbeit.«
    »So geht’s auch. Hauptsache, du fängst endlich an.«
    Taramis löste sich, Jagur und Allon scheinbar in einem dichten Flockenwirbel auf. Dann spornte er das Ippo zum Galopp an und erschuf ein Trugbild, das er einem der eisigen Wächter nachempfand. Unter der Maske eines zwölfbeinigen Skorpions stürmte er auf die Lücke zwischen dem einäugigen und dem doppelköpfigen Unhold zu.
    Der überraschende Zuwachs im Zoo der Monstrositäten verfehlte die erhoffte Wirkung nicht. Die Eisgestalten blickten sich irritiert um. Als der Zyklop endlich seine Eiskeule hob, um die überzählige Figur aus dem Spiel zu werfen, schwang diese bereits ihre mächtige Schere. In Wahrheit verbarg sich dahinter Jagurs Streitaxt. Sie krachte gegen das Standbein des glasklaren Riesen, wodurch es in Abertausende von Splittern zersprang. Taramis spürte einen Schlag an der linken Brust.
    Seines Gleichgewichts beraubt, kippte der Einäugige auf seinen doppelköpfigen Mitstreiter zu. Gerade als sie zusammenstießen, galoppierte Allon zwischen ihnen hindurch. Taramis vernahm hinter sich ein gewaltiges Klirren.
    »Man könnte meinen, wir verdienen unser Geld damit«, brüllte Jagur im Kampfesrausch.
    Taramis war weniger euphorisch. Ein Eiszapfen stak in seinem Mantel. Ohne das Drachenhemd hätte er sein Herz durchbohrt. Als er ihn trotzig herausriss, bemerkte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung. »Pass auf!«
    Aus dem Nachthimmel stürzte ein Ungetüm auf sie herab. Es sah aus wie ein Riesensalamander mit vier Flügeln und zwei Schwänzen. Einer davon peitschte direkt auf die Reiter zu. Für den Kirrie war der Streich zu hoch angesetzt, er schien Taramis zu gelten. Im letzten Augenblick duckte er sich. Um ein Haar hätte ihn die Kreatur enthauptet. Sie verschwand im Flockenwirbel hinter dem geflügelten Hengst.
    »Das Biest kommt wieder«, rief Jagur.
    Während Allon durch den verwaisten Skulpturengarten sprengte, hielten seine Reiter Ausschau nach dem fliegenden Ungeheuer. Knurrend warnte sie das Ippo vor dem nächsten Angriff.
    Diesmal stieß der doppelschwänzige Salamander fast senkrecht auf sie herab, das mit glasklaren Zähnen gespickte Maul weit aufgerissen. Verzweifelt reckte Taramis den Feuerstab in die Höhe und ballte seinen Willen. Wie er das Untier auch tötete, sie würden entweder von dessen gläsernem Riesenkörper oder von einem Hagelschauer tödlicher Splitter getroffen werden.
    Plötzlich wurde er in den Sattel gedrückt. Das Ippo hatte seine Schwingen ausgebreitet. Eine Windbö riss es samt seinen Reitern nach oben. Dadurch gerieten sie über den im Sturzflug begriffenen Salamander. Taramis beugte sich zur Seite und stieß Ez mit aller Kraft nach unten. Als sich die Spitze des Feuerstabs in den Nacken der Bestie bohrte, ließ er seinen geballten Willen wie eine Riesenfaust auf sie herniederfahren. Mit gewaltigem Krachen zerschellte die Kreatur am Boden.
    Jagur sank nach vorne und schlang seine Arme um Allons Hals. »Braves Hundchen. Nachher bekommst du einen großen Knochen von mir.«
    Der Ippohengst blaffte voller Übermut.

21. Das Mädchen mit dem Schleier
    A ri weinte nicht. Er war schließlich kein kleiner Junge mehr. In den fünf Tagen ihrer Reise hatte er nicht eine Träne vergossen. Zumindest nicht in Gegenwart von Sagur und seinem Folterknecht. Kein einziges Mal hatten sie ihm die Hand- und Fußfesseln abgenommen, so als fürchteten sie, er könnte sich in eine der engen Panzerkammern der Drachenkröte verkriechen. An eine Flucht war mitten im Ätherischen Meer ohnehin nicht zu denken gewesen.
    Täglich hatte ihn der Anführer der Drachenleute in seinem Gefängnis besucht und ihm alle möglichen Fragen über seine Eltern gestellt. Anfangs probierte er es auf die nette Art, merkte aber bald, dass er bei seinem Gefangenen auf Granit biss.

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