Die Zeugin: Thriller (German Edition)
und Behörden spielte eine entscheidende Rolle in diesem Fall. Die beunruhigendsten Fragen bei der Vorauswahl der Geschworenen drehten sich nicht um den Tod, sondern um Macht.
Haben Sie Verwandte in der Strafverfolgung, Ms. Mackenzie?
Nein, war ihre wahrheitsgemäße Antwort. Gleichzeitig dachte sie: Früher mal beinahe. Aber jetzt nicht mehr.
Könnten Sie einen Polizeibeamten für den Rest seines Lebens ins Gefängnis schicken?
Ja.
Sie glaubten ihr. Auch dass sie Anwältin war, führte nicht zu ihrer Streichung von der Liste.
Sie vermutete, dass man sie als Geschworene ausgesucht hatte, weil sie nur flüchtig mit dem Fall vertraut war. Zum Zeitpunkt von Brad Markovics Tod war sie fast zehntausend Kilometer weit weg und versuchte, Ransom River aus ihrem Gedächtnis zu verbannen.
Jetzt stand sie kurz davor, den Beweis auf Film zu sehen. Vielleicht sogar die Wahrheit. Und wenn sie sie als solche erkannte, musste sie entsprechend handeln, egal, was die Cops, der Vater des Opfers, die Medien oder die anderen Geschworenen dachten. Flüchtig fragte sie sich, ob sie sich mit dieser Einstellung zum Gerichtshofnarren machte.
Am Tisch des Staatsanwalts hielt Cary Oberlin jetzt eine DVD hoch. Mit seiner sanften, bleiernen Stimme fragte er: »Mr. Koh, ist Ihnen diese DVD bekannt?«
Koh beugte sich zum Mikrofon. »Sie gehört mir. Darauf ist eine Aufnahme von der Überwachungskamera an meinem Haus.«
Kohs gequälte Augen drückten aus, was in seiner Zeugenaussage wahrscheinlich nicht zur Sprache kommen würde: Am liebsten hätte er nie einen Blick auf dieses Filmmaterial geworfen. Am liebsten hätte er nie eine Kamera hinter dem Haus installiert. Dann hätte er sich noch immer sicher fühlen können, so wie früher. Niemand hätte anonym am Telefon Morddrohungen gegen ihn ausgestoßen oder sein Auto in Brand gesteckt, während er beim Einkaufen im Supermarkt war.
Denn er hätte nicht das Ende von Brad Markovic gesehen.
M it gleichmäßigen vierzig Stundenkilometern steuerte Berrigan den Blazer vorbei am Gericht. Auf der Motorhaube blitzte grell das Sonnenlicht.
Church hatte die ganze Umgebung im Auge. »Immer schön ruhig.«
Das Gerichtsgebäude nahm den gesamten Block ein und hatte zur nächsten Parallelstraße einen Notausgang, der von außen abgeschlossen, aber nicht verriegelt war. Er ließ sich nur von innen öffnen. Allerdings brauchten sie diese Tür sowieso erst, wenn sie schon drinnen waren und mit Tempo wieder rausmussten.
Berrigan umklammerte das Lenkrad, als hätte er Angst, hinaus ins Weltall geschleudert zu werden, wenn er losließ. Er trug zwar Handschuhe, aber Church hätte gewettet, dass die Knöchel weiß wie Knorpel waren.
Berrigan blinkte und bog um den Block. Er schwitzte. Das machte Church Sorgen.
Church hatte geduscht und sich gründlich gewaschen. Er hatte sich rasiert, die Nägel geschnitten und sich das Haar bis auf eine Länge von einem halben Zentimeter geschoren. Er wollte keine DNA hinterlassen. Solange er nicht blutete, war er im grünen Bereich.
Er trug neue Kleider von Walmart, die Hausmarke. In einer Reisetasche hatte er andere Klamotten für später verstaut, wenn die Sache erledigt war und er das billige Zeug an seinem Leib verbrennen konnte.
Berrigan hingegen schwitzte. Er leckte sich über die Lippen und fasste nach seiner Hemdtasche, in der sich etwas Eckiges abzeichnete.
»Du hast Kippen dabei?«, fragte Church.
Schnell legte Berrigan die Hand wieder aufs Steuer. »Ich will erst rauchen, wenn …«
Church streckte den Arm aus und zerrte die Zigaret tenschachtel aus Berrigans Hemd. Eine fast leere Packung Winston.
»Verdammt, hast du aus dem Ding Zigaretten genommen und sie dir direkt in den Mund gesteckt? Da klebt bestimmt überall Spucke dran.« Er schüttelte den Kopf. »Halt an.«
»Bringt mir Glück«, sagte Berrigan. »So eine Marotte von mir. Hab immer eine Packung in der Tasche, als Talisman.«
»Und was hat dir das bis jetzt gebracht?«
Das ließ ihn verstummen.
Direkt vor dem Notausgang des Gerichtsgebäudes stoppte Berrigan den Wagen.
Church stieg aus, öffnete die hintere Tür und griff nach dem Werkzeugkasten. »Wenn wir hier lebend rauskommen wollen, brauchen wir mehr als Glück.« Idiot.
Mit dem Werkzeugkasten machte er sich auf den Weg. Als er an einer Mülltonne vorbeikam, zerknüllte er die Zigarettenschachtel und warf sie hinein.
Berrigan schloss zu ihm auf. Seite an Seite marschierten sie zum Vordereingang des Gerichtsgebäudes. Die Sonne
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