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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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möchte es trotzdem wissen.«
    Er verschränkte die Arme vor der Brust und nahm eine Bringen-wir-es-hinter-uns-Haltung an.
    Ohne sich von seiner Ungeduld in ihrer Ruhe beirren zu lassen, hakte Kendall nach: »Wenn ich richtig über anterograde Amnesie informiert bin, ist mein Mann zur Zeit möglicherweise nicht in der Lage, Informationen in seinem Gehirn zu speichern. Also, selbst wenn er sich schließlich an alles erinnert, was vor
dem Unfall geschehen ist, wird er sich vielleicht an nichts von dem erinnern, was jetzt zwischen dem Unfall und dem Zeitpunkt passiert, an dem sein Gedächtnis zurückkehrt. Er würde alles Übrige wieder wissen, aber diese Zeitspanne wäre ausgelöscht.«
    Â»Grundsätzlich haben Sie das richtig verstanden. Aber wie ich bereits sagte, sollten Sie sich darüber nicht den Kopf zerbrechen. Ich glaube nicht, daß das eintrifft.«
    Â»Aber es könnte...«
    Â»Trotzdem sollten Sie das nicht so pessimistisch sehen, okay?«
    Â»Braucht er einen weiteren Schlag auf den Kopf, damit er sein Gedächtnis wiederfindet?«
    Â»So was gibt es nur im Kino«, witzelte er. »In der Regel verläuft die Genesung weniger dramatisch. Sein Gedächtnis kehrt vielleicht in Bruchstücken und ganz allmählich zurück. Oder alles ist auf einen Schlag wieder da.«
    Â»Oder es bleibt für immer verloren?«
    Â»Das ist ausgesprochen unwahrscheinlich. Es sei denn, Ihrem Mann könnte aus irgendeinem Grund daran gelegen sein, sein Gedächtnis permanent zu blockieren.« Er hob die Brauen.
    Kendall ignorierte seine kaum verhohlene Neugier, doch sie wußte, daß sie ihm Anlaß gegeben hatte, sich über das Thema auszubreiten, und daß er der Versuchung nicht widerstehen konnte, sein Wissen vor ihr zu demonstrieren.
    Â»Sehen Sie, sein Unterbewußtsein könnte seine Kopfverletzung als günstigen Vorwand nutzen, etwas zu vergessen, an das er sich nicht erinnern möchte – etwas, mit dem er nur schwer oder gar nicht zu Rande kommt.« Er sah sie forschend an. »Gibt es einen Grund, warum sich sein Unterbewußtsein möglicherweise durch eine Amnesie schützen will?«
    Â»Haben Sie auch einen Doktor in Psychologie?« Ihre Stimme
klang zuckersüß, aber ihr Blick verriet, was sie von seiner Frage hielt. Er lief vor Entrüstung rot an. »Was mich zur nächsten Frage bringt«, fuhr sie fort, ehe er ihre Bemerkung kontern konnte. »Sollten wir nicht einen Spezialisten hinzuziehen? Vielleicht einen Neurologen aus einem größeren Krankenhaus?«
    Â»Das ist bereits geschehen.«
    Â»Ach so?« Diese Antwort überraschte sie.
    Â»Ich habe in einem Krankenhaus in Atlanta angerufen«, erläuterte der Arzt, »mich mit dem dortigen Neurologen verbinden lassen, ihm das Krankenblatt Ihres Mannes gefaxt und ihm seinen Zustand und die Reflexe beschrieben. Ich habe ihm erklärt, daß erstens unsere Aufnahmen keine Gehirnblutungen erkennen lassen, zweitens keine Lähmungs- oder Taubheitserscheinungen in den äußeren Gliedmaßen des Patienten aufgetreten sind, drittens wir keine Auffälligkeiten beim Sprechen, keine Beeinträchtigungen des Blickfeldes und keine geistigen Fehlleistungen feststellen können – alles Symptome, die auf eine ernsthafte Gehirnschädigung hindeuten würden.«
    Selbstgefällig schloß er: »Der Neurologe meinte, für ihn klinge das so, als hätte der Patient eins aufs Dach bekommen, so daß ihm eine Sicherung im Gedächtnis durchgebrannt sei. Seine Diagnose stimmte haargenau mit meiner überein.«
    Kendall war erleichtert. Sie hatte zwar vor, von seiner Amnesie zu profitieren, aber sie wünschte ihm keinen bleibenden Schaden.
    Wann er sein Gedächtnis wiederfinden würde, blieb allerdings weiterhin völlig offen. Vielleicht jetzt bald, vielleicht erst nächstes Jahr. Wieviel Zeit blieb ihr noch?
    Sie mußte davon ausgehen, daß es nicht allzuviel war, und dementsprechend handeln.
    Sie lächelte den Arzt an. »Danke, daß Sie sich die Mühe
gemacht haben, meine Fragen zu beantworten. Verzeihen Sie, daß ich Sie aufgehalten habe. Haben Sie heute abend was vor?«
    Nachdem sie erfahren hatte, was sie wissen mußte, wollte sie ihn jetzt ablenken. Am besten tat sie das, indem sie seinem Ego schmeichelte und das Gespräch auf ihn selbst brachte. Diese Taktik wandte sie oft bei Geschworenen an, wenn sie

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