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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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du schon einmal beim Klauen erwischt worden?«
    Finster starrte er sie an, doch Kendall ließ sich nicht einschüchtern, so unheimlich dieser Blick auch war. Schließlich wandte er die Augen ab, sah zur Decke hoch, blickte an ihr vorbei auf den Wachposten an der Tür und fixierte dann mehrere Punkte im Raum, bevor er sie wieder ansah. »Nein.«
    Â»Lüg nicht, Billy Joe«, warnte sie ihn. »Ich finde die Wahrheit sowieso raus. Und selbst wenn sie unangenehm ist, würde ich sie lieber von dir als aus Mr. Gorns Büro erfahren. Hat man dich schon mal verhaftet?«
    Â»Ich bin nicht verhaftet worden.«
    Â»Aber da war was?«
    Er tat den Vorfall mit einem Feixen ab. »Vor ein paar Jahren. Im Piggly Wiggly.«
    Kendall lehnte sich abwartend zurück.

    Â»Also, dieses Mädchen an der Kasse hat gesagt, daß ich ’nen Comic gestohlen hätte.« Gelangweilt zog er die dürren Schultern hoch. »Die Schlampe hat gelogen.«
    Â»Du hast den Comic nicht genommen?«
    Â»Klar hab’ ich ihn aus dem Regal genommen. Aber ich wollte bloß damit aufs Klo, damit ich beim Kacken was zum Lesen hab’. Da macht diese blöde Kuh ein Riesengeschrei und ruft den Manager. Er hat mich aus dem Laden geschmissen und mir gesagt, ich brauch’nicht wiederzukommen. Als würd mir so was einfallen. Mein Geld kriegen die bestimmt nicht mehr, das hab’ ich denen auch gesagt.«
    Â»Das hat sie sicherlich hart getroffen.«
    Â»Hey, Schlampe, auf welcher Seite stehen Sie eigentlich?« brüllte er und sprang aus seinem Stuhl auf. »Und wieso krieg’ ich überhaupt ein Weib als Rechtsanwalt?«
    Kendall schoß so schnell hoch, daß ihr Stuhl nach hinten kippte und klappernd zu Boden fiel. Der Wachman an der Tür eilte herein, aber sie hielt ihn mit erhobener Hand und einem Kopfschütteln vom Eingreifen ab. Er befolgte ihren Wunsch und blieb auf Abstand, aber schien bereit, sich augenblicklich auf Billy Joe Crook zu stürzen, sollte die Situation es erfordern.
    Kendall spießte ihren anmaßenden Mandanten mit ihrem Blick auf und erklärte ihm gefährlich leise: »Wenn du mich noch einmal so nennst, dann schlag ich dir die fauligen Zähne aus, kapiert? Und an deiner Stelle würde ich hurra schreien, wenn mich eine Anwältin vertritt. Glaubst du vielleicht, eine Frau würde sich dazu herablassen, neben jemand so Widerwärtigem wie dir zu sitzen und ihn vor Gericht zu vertreten, wenn sie nicht hundertzehnprozentig davon überzeugt wäre, daß die Anklage falsch ist?«
    Sie ließ ihm Zeit, darüber nachzudenken. Er rutschte auf
seinem Stuhl herum und knabberte an seinem Zeigefingernagel, der schon bis zum Mond abgekaut war. Plötzlich entdeckte sie eine Spur von Unsicherheit unter seiner Überheblichkeit.
    Â»Okay, okay«, sagte er schließlich. »Kein Grund, sich gleich ins Höschen zu machen. Ich hab’s nicht so gemeint.«
    Â»Natürlich hast du es so gemeint.« Gelassen hob sie ihren Stuhl auf und setzte sich wieder hin. »Es ist mir egal, was du von mir persönlich hältst, Billy Joe. Ich werde dafür bezahlt, dich zu vertreten. Wie gut oder wie schlecht ich das tue, ist meine Sache. Ganz egal, wie deine Verhandlung ausgeht, ich bekomme nächsten Freitag meinen Gehaltsscheck. Haben wir uns verstanden?«
    Er hatte verstanden. Er schüttelte sich das Haar aus den Augen und erklärte kleinlaut: »Ich will nicht ins Gefängnis.«
    Â»Also gut. Dann laß uns darüber sprechen, welche Optionen wir haben.«
    Â 
    Â»Auf schuldig plädieren? Sie meinen, er soll sagen, er hat’s getan? Sie sind ja total bescheuert, Lady!«
    Unhöfliches Benehmen schien bei den Crooks in der Familie zu liegen. Wie das an schmutziges Stroh erinnernde Haar und die praktisch farblosen Augen. Billy Joes ältere Brüder waren groß und grobknochig, allerdings nicht ganz so schlaksig wie er. Mit zunehmendem Alter hatten sich die Ecken ein wenig gerundet.
    Henry und Luther Crook hatten ihr aufgelauert, als sie das Gerichtsgebäude verlassen wollte. Auch sie verliehen wortgewaltig ihrem Mißfallen darüber Ausdruck, daß eine Frau ihren kleinen Bruder vertreten sollte. Ohne auf ihre Proteste einzugehen, erklärte sie ihnen, zu welcher Verteidigungsstrategie sie ihrem Mandanten geraten hatte.
    Â»Ich bin keineswegs bescheuert«, erwiderte sie ruhig, »sondern der Meinung,

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