Die Zeugin
jedenfalls. Ich laà mich doch nicht von so ânem Psychoheini untersuchen!«
Sein Haar, das er für seinen Auftritt vor Gericht mit Gel gebändigt hatte, löste sich wieder. Er zuckte mit dem Kopf, um es aus den Augen zu werfen, und funkelte Kendall an, die seinen Blick genauso aufgebracht erwiderte. Billy Joe gab sich als erster geschlagen. »ScheiÃe.« Er lieà sich wieder auf seinen Stuhl fallen. »Ich werdâ abhauen, verfluchte ScheiÃe. Da können Sie Ihren Arsch drauf verwetten.«
Hinter der Absperrung knurrten Henry und Luther wie wütende Kampfhunde an einer kurzen, fast durchgewetzten Leine. Mrs. Crook schleuderte Beleidigungen in ihre Richtung. Kendall kam sich vor wie in einem Alptraum.
Aus dem Augenwinkel konnte sie sehen, daà Dabney Gorn vom Tisch der Anklage aus hämisch grinste. Er labte sich nicht nur an ihrer Niederlage, sondern auch an ihrem Unvermögen, den Mandanten unter Kontrolle zu halten.
Warum hatte Gorn diesen unbedeutenden Fall eigentlich nicht an einen seiner Assistenten delegiert? Er erschien nur selten persönlich im Gerichtssaal. Meist beschränkte er sich darauf, die anstehenden Fälle weiterzugeben, und verbrachte den gröÃten Teil des Arbeitstages im Café gegenüber, wo er Eistee trank und mit jedem plauderte, der dort vorbeikam.
Kendall spürte, daà aller Augen im Saal auf sie gerichtet waren, als sie sich wieder an den Richter wandte. Auch Matt war vorbeigekommen, um ihr Mut zu machen. Sie wünschte, er hätte es nicht getan. »Euer Ehren, in einem solchen Fall eine R & E anzuordnen, ist lächerlich. Der Wert des gestohlenen Gutes beläuft sich auf weniger als hundert Dollar. Ich verstehe nicht, welche Gründe Sie bewogen ...«
»Der Grund, daà Ihr Mandant ein Dieb ist, Madam. Er hat das
selbst zugegeben. Wenn Sie möchten, kann ich den Gerichtsschreiber bitten, die entsprechende Aussage noch mal vorzulesen.«
»Danke, Euer Ehren, das wird nicht nötig sein. Ich weiÃ, daà mein Mandant seine Schuld gestanden hat. Mr. Crook gibt zu, sich falsch verhalten zu haben, allerdings geben wir keineswegs zu, daà er einen Diebstahl begehen wollte, wie es das Gericht andeutet. Es handelt sich hierbei um das erste Vergehen meines Mandanten.«
»Das erste, das aktenkundig wurde«, verbesserte Fargo ironisch.
»Und nichts sonst sollte hier zu Buche schlagen«, schoà Kendall zurück. »Müssen wir etwa annehmen, daà dieses Gericht gegen meinen Mandanten voreingenommen ist?«
Fargo lief rot an. »Sie haben überhaupt nichts anzunehmen.« Er wedelte drohend mit dem Hammer in ihre Richtung. »Sie bewegen sich auf gefährlich dünnem Eis, Frau Anwältin. Wäre das alles?«
»Nein, das ist noch nicht alles. Ich möchte ins Protokoll aufgenommen haben, daà ich dieses Urteil für ungerecht und ungerechtfertigt halte. Billy Joe Crook hat seine Tat bereut, und da dies sein erstes Vergehen ist, bin ich der Meinung, daà eine Bewährungsfrist viel eher dem üblichen Standard entspräche.«
»Ich versuche eben, den üblichen Standard zu erhöhen. Ihr Mandant wird hiermit der Jugendstrafbehörde übergeben. Das endgültige Urteil wird sich auf deren Bericht stützen.« Er lieà den Hammer herabdonnern. »Die Verhandlung ist geschlossen.«
Als die Gerichtsdiener zu Billy Joe traten, um ihm Handschellen anzulegen, wehrte er sich so verzweifelt, daà man ihn gewaltsam ergreifen muÃte. Das war das Startzeichen für seine Brüder. Beide flankten über die Absperrung.
»Bitte, Luther, Henry, Sie machen alles nur noch schlimmer!«
Aber die Crooks hörten nicht auf sie. Und sie lieÃen sich von ihr auch nicht aufhalten. Einer stieà sie beiseite. Sie fiel rückwärts und schlug mit der Hüfte an die Tischkante. Als sie sich mühsam wieder hochrappelte, sah sie, wie der kreischende und um sich tretende Billy Joe durch den Seitenausgang hinausbefördert wurde. Luther und Henry folgten ihm auf den Fersen.
Plötzlich rannte noch jemand an Kendall vorbei. Es war Matt. Er hatte die beiden Zwillinge eingeholt, noch ehe sie die Tür erreichten. Luther wurde von hinten gepackt und an die Wand geschleudert. Als Henry seinem Bruder zu Hilfe kommen wollte, ging Matt in Kampfstellung. Seine Miene war so unheilverkündend, daà Henrys Blutdurst augenblicklich versiegte.
»Ihr habt beide
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