Die Zeugin
hätte, wenn Matt sich entschlossen hätte, im High-School-Orchester Querflöte zu spielen.
Ihr Schwiegervater verachtete alles, was er für »weibisch« hielt. Künstlerische Aktivitäten waren ausschieÃlich etwas für »Damen« und »Schwule«, wozu jeder Mann zählte, der etwas mit klassischer Musik, Ballett oder dem Theater anfangen konnte. Gibbs Männlichkeitswahn war bisweilen so grotesk, daà Kendall am liebsten laut losgeprustet hätte. Oder sich vor Ekel geschüttelt.
Manchmal wollte sie laut schreien, wenn sie Gibbs ultrakonservative Ansichten über sich ergehen lassen muÃte. Ihre GroÃmutter hatte sie in dem Glauben erzogen, daà man andere Menschen und ihre exzentrischen Eigenarten tolerieren und respektieren sollte. Daà unterschiedliche Lebensweisen sogar interessant oder stimulierend sein könnten.
Elvie Hancocks liberale Auffassungen waren in Sheridan, Tennessee, nicht immer populär gewesen. Dennoch hatte sie zu ihrer Ãberzeugung gestanden und sie an ihre Enkelin weitergegeben. Kendall vermutete, daà das mit ein Grund war, weshalb sie persönlich sich dazu entschlossen hatte, für die Benachteiligten einzutreten und Pflichtverteidigerin zu werden. Dazu kamen noch die Ungerechtigkeiten, die sie in den heiligen Hallen von Bristol und Mathers mitbekommen hatte.
»Wer war am Apparat?« fragte Matt jetzt. »Oder kannst du darüber nicht sprechen?«
»Ganz unter uns?«
»Absolut.«
»Ein Junge wurde heute nachmittag beim Klauen erwischt. Er heiÃt Crook.«
»Der jüngste? Billy Joe?«
»Du kennst ihn?« fragte sie überrascht.
»Ich kenne seine Familie. Die Zwillinge, Henry und Luther, sind ein Jahr älter als ich. Zwischen ihnen und Billy Joe kommen noch ein paar Brüder und Schwestern. Ihr Vater führte den
Schrottplatz am Stadtrand. Wo dieser Berg von verrostetem Metall liegt ...«
Sie nickte, weil ihr klar war, welchen Schandfleck er damit meinte. »Du hast âºführteâ¹ gesagt â in der Vergangenheitsform.«
»Er starb vor ein paar Jahren. Mrs. Crook hat es nicht leicht, das Geschäft am Laufen zu halten.«
»Warum das?«
»Der gute alte Crook wartete nicht einfach ab, bis irgendwelche Schrottwagen sein Lager vergröÃerten. Oft haben die Kunden von ihm zurückgekauft, was kurz zuvor aus ihren Autos entwendet worden war. Es hieà allgemein, daà der Alte das Geschäft dadurch belebte, daà er die Jungs zum Klauen schickte.«
»Versucht Mrs. Crook es mit einer anständigeren Methode?«
»Vielleicht, aber ich bezweifle das. Wahrscheinlich ist sie nicht ehrlich, sondern einfach nicht gerissen genug, um den Laden in Schwung zu halten.«
»Hmm. Du willst also andeuten, daà Billy Joe eine alte Familientradition weiterführt?«
»Du bist vielleicht ein SpaÃvogel!«
»Nicht wirklich. Danke für die Informationen über die Crooks, aber wir müssen das Gespräch hiermit wohl beenden, wenn ich nicht gegen mein Berufsethos verstoÃen will.«
»Ich verstehe.«
Er versuchte nie, mehr Informationen aus ihr herauszupressen, als sie unter Berücksichtigung ihrer Schweigepflicht freiwillig preisgab. Da er die Lokalzeitung herausgab und alle vierzehn Tage eine Kolumne darin verfaÃte, war sie strikt darauf bedacht, nicht mit ihm über ihre Fälle zu sprechen. Nicht, weil sie Zweifel an seiner Integrität hatte, sondern um ihre eigene zu wahren.
»Was führt dich zu mir?« fragte sie.
»Ich wollte dir sagen, daà ich heute abend nicht zu Hause bin.«
»Ach, Matt!«
Er hob beide Hände, um ihren Protest abzuwehren. »Es tut mir leid. Ich kann nicht anders.«
»Das ist das zweite Mal innerhalb von vier Tagen. Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Leonard Wiley hat Dad und mich gefragt, ob wir heute abend mit ihm auf Waschbärenjagd gehen. Er hat einen neuen Hund, auf den er sehr stolz ist und den er uns vorführen möchte. Dad hat ihm in meinem Namen zugesagt.«
»Sag ihm, daà du heute abend nicht kannst, weil wir schon was vorhaben.«
»Wir haben heute aber nichts vor.«
»Sag ihm, daà du mir versprochen hast, mit mir zu Hause zu bleiben und vor der Glotze zu lümmeln.«
»Das habe ich dir nicht versprochen.«
»Das weià er doch nicht!«
»Aber ich.«
»Mein Gott!« rief sie aus. »Hast du noch nie
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