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Die Zeugin

Die Zeugin

Titel: Die Zeugin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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hätte, wenn Matt sich entschlossen hätte, im High-School-Orchester Querflöte zu spielen.

    Ihr Schwiegervater verachtete alles, was er für »weibisch« hielt. Künstlerische Aktivitäten waren ausschießlich etwas für »Damen« und »Schwule«, wozu jeder Mann zählte, der etwas mit klassischer Musik, Ballett oder dem Theater anfangen konnte. Gibbs Männlichkeitswahn war bisweilen so grotesk, daß Kendall am liebsten laut losgeprustet hätte. Oder sich vor Ekel geschüttelt.
    Manchmal wollte sie laut schreien, wenn sie Gibbs ultrakonservative Ansichten über sich ergehen lassen mußte. Ihre Großmutter hatte sie in dem Glauben erzogen, daß man andere Menschen und ihre exzentrischen Eigenarten tolerieren und respektieren sollte. Daß unterschiedliche Lebensweisen sogar interessant oder stimulierend sein könnten.
    Elvie Hancocks liberale Auffassungen waren in Sheridan, Tennessee, nicht immer populär gewesen. Dennoch hatte sie zu ihrer Überzeugung gestanden und sie an ihre Enkelin weitergegeben. Kendall vermutete, daß das mit ein Grund war, weshalb sie persönlich sich dazu entschlossen hatte, für die Benachteiligten einzutreten und Pflichtverteidigerin zu werden. Dazu kamen noch die Ungerechtigkeiten, die sie in den heiligen Hallen von Bristol und Mathers mitbekommen hatte.
    Â»Wer war am Apparat?« fragte Matt jetzt. »Oder kannst du darüber nicht sprechen?«
    Â»Ganz unter uns?«
    Â»Absolut.«
    Â»Ein Junge wurde heute nachmittag beim Klauen erwischt. Er heißt Crook.«
    Â»Der jüngste? Billy Joe?«
    Â»Du kennst ihn?« fragte sie überrascht.
    Â»Ich kenne seine Familie. Die Zwillinge, Henry und Luther, sind ein Jahr älter als ich. Zwischen ihnen und Billy Joe kommen noch ein paar Brüder und Schwestern. Ihr Vater führte den
Schrottplatz am Stadtrand. Wo dieser Berg von verrostetem Metall liegt ...«
    Sie nickte, weil ihr klar war, welchen Schandfleck er damit meinte. »Du hast ›führte‹ gesagt – in der Vergangenheitsform.«
    Â»Er starb vor ein paar Jahren. Mrs. Crook hat es nicht leicht, das Geschäft am Laufen zu halten.«
    Â»Warum das?«
    Â»Der gute alte Crook wartete nicht einfach ab, bis irgendwelche Schrottwagen sein Lager vergrößerten. Oft haben die Kunden von ihm zurückgekauft, was kurz zuvor aus ihren Autos entwendet worden war. Es hieß allgemein, daß der Alte das Geschäft dadurch belebte, daß er die Jungs zum Klauen schickte.«
    Â»Versucht Mrs. Crook es mit einer anständigeren Methode?«
    Â»Vielleicht, aber ich bezweifle das. Wahrscheinlich ist sie nicht ehrlich, sondern einfach nicht gerissen genug, um den Laden in Schwung zu halten.«
    Â»Hmm. Du willst also andeuten, daß Billy Joe eine alte Familientradition weiterführt?«
    Â»Du bist vielleicht ein Spaßvogel!«
    Â»Nicht wirklich. Danke für die Informationen über die Crooks, aber wir müssen das Gespräch hiermit wohl beenden, wenn ich nicht gegen mein Berufsethos verstoßen will.«
    Â»Ich verstehe.«
    Er versuchte nie, mehr Informationen aus ihr herauszupressen, als sie unter Berücksichtigung ihrer Schweigepflicht freiwillig preisgab. Da er die Lokalzeitung herausgab und alle vierzehn Tage eine Kolumne darin verfaßte, war sie strikt darauf bedacht, nicht mit ihm über ihre Fälle zu sprechen. Nicht, weil sie Zweifel an seiner Integrität hatte, sondern um ihre eigene zu wahren.
    Â»Was führt dich zu mir?« fragte sie.

    Â»Ich wollte dir sagen, daß ich heute abend nicht zu Hause bin.«
    Â»Ach, Matt!«
    Er hob beide Hände, um ihren Protest abzuwehren. »Es tut mir leid. Ich kann nicht anders.«
    Â»Das ist das zweite Mal innerhalb von vier Tagen. Was ist denn jetzt schon wieder?«
    Â»Leonard Wiley hat Dad und mich gefragt, ob wir heute abend mit ihm auf Waschbärenjagd gehen. Er hat einen neuen Hund, auf den er sehr stolz ist und den er uns vorführen möchte. Dad hat ihm in meinem Namen zugesagt.«
    Â»Sag ihm, daß du heute abend nicht kannst, weil wir schon was vorhaben.«
    Â»Wir haben heute aber nichts vor.«
    Â»Sag ihm, daß du mir versprochen hast, mit mir zu Hause zu bleiben und vor der Glotze zu lümmeln.«
    Â»Das habe ich dir nicht versprochen.«
    Â»Das weiß er doch nicht!«
    Â»Aber ich.«
    Â»Mein Gott!« rief sie aus. »Hast du noch nie

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