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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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menschlichen Drama gehören, seitdem die ersten plumpen Schiffe an Lunas Gestade angelegt haben: nicht nur Heldentaten und zarte Gefühle, sondern auch Absurditäten und Trivialitäten und so fort. Ich habe mich bemüht, die ungeschmückte Wahrheit niederzulegen ohne Rücksicht darauf, ob du, mein Leser, mich stellenweise für unglaubwürdig oder fade hältst; und wenn der Krieg in den Bergen ein Schauspiel von Großtaten (die nicht so sehr mir, sondern anderen gebührt haben), meine Gefangenschaft bei Vodalus und den Asciern eine Zeit des Schreckens und meine Überfahrt auf der Samru ein bedächtiges Zwischenspiel gewesen sind, dann ist es Zeit für die Komödie.
    Wir liefen in jenen Teil der Stadt, wo die Zitadelle steht, was im Süden, aber nicht im äußersten Süden ist, unter Segel und bei Tage ein. Ich behielt das sonnige Ostufer genau im Auge und ließ mich vom Kapitän an jenen schlüpfrigen Treppen absetzen, wo ich als Knabe gebadet und gekämpft hatte. Ich wollte nämlich durch das Nekropolis-Tor und die eingebrochene Ringmauer in der Nähe des MatachinTurms in die Zitadelle gelangen; allerdings war das Tor zu und verschlossen und weit und breit keine Freiwilligentruppe zu sehen, die mir hätte aufschließen können. Also war ich genötigt, viele Ketten weit um die Nekropolis herum und noch ein paar entlang der Ringmauer zu gehen, um ins Vorwerk zu kommen.
    Dort stieß ich auf einen Haufen Wachsoldaten, die mich vor ihren Offizier schleppten. Dieser hielt mich, nachdem ich ihm erklärt hatte, ich sei ein Folterer, für einen jener Wichte, die insbesondere vor Beginn des Winters um Aufnahme in die Zunft ersuchen. Er beschloß (korrekterweise, hätte er sich nicht in meiner Person getäuscht), mich auspeitschen zu lassen; und um dem zu entgehen, war ich gezwungen, zweien seiner Männer die Daumen zu brechen und bei ihm den Griff namens Kätzchen und Ball anzuwenden, woraufhin ich verlangte, zu seinem Vorgesetzten, dem Kastellan, gebracht zu werden.
    Offengestanden war ich etwas erstaunt beim Anblick dieses Würdenträgers, den ich in all den Jahren meiner Lehre auf der Festung, die er befehligte, selten und höchstens von weitem zu Gesicht bekommen hatte. Er war, wie sich zeigte, ein alter Soldat mit silbergrauem Haar und lahm wie ich. Der Offizier stammelte in meiner Anwesenheit seine Anschuldigungen: Ich sei tätlich und (nicht wahr) ausfällig gegen seine Person geworden, hätte zwei seiner Leute zum Krüppel gemacht und so weiter. Nachdem er zu Ende gesprochen hatte, blickte der Kastellan von mir zu ihm und wieder zurück, entließ ihn und bot mir einen Platz an.
    »Du bist ohne Waffen«, sagte er. Seine Stimme war heiser, aber sanft, als hätte er sie sich mit dem vielen Kommandieren verdorben.
    Ich bejahte.
    »Aber du warst im Krieg und in den Urwäldern nördlich der Berge, wo’s keine Schlacht mehr gab, seitdem sie den Uroboros überquert und unsere Flanke gewendet haben.«
    »Stimmt«, sagte ich. »Aber woher weißt du das nur?«
    »Die Wunde an deinem Oberschenkel stammt von einer ihrer Lichtlanzen. Ich kenne das, hab’s schon oft gesehn. Der Strahl ist, vom Knochen reflektiert, durch den ganzen Muskel gefahren. Hast wohl auf einem Baum gesessen, als ein Hastarus dich vom Boden traf. Wohl eher aber im Sattel, beim Sturm auf eine Infanterie. Kein Kataphrakt, sonst hätt’s dich nicht so arg erwischt. Leichtbewaffnete?«
    »Bloß leichte Irreguläre.«
    »Das mußt du mir nachher noch erzählen, denn du bist deiner Sprache nach ein Städter, und bei denen sind hauptsächlich Eklektiker und dergleichen. Du hast obendrein eine Doppelnarbe am Fuß, weiß und sauber, mit einer halben Spanne Abstand zwischen den Malen. Das ist ein Vampirbiß, und die werden so groß nur in den echten Urwäldern am Nabel der Welt. Wie hat’s dich denn dorthin verschlagen?«
    »Unser Flieger ist abgestürzt. Ich wurde gefangengenommen.«
    »Und bist entwischt?«
    Bald wäre ich genötigt gewesen, ihm von Agia und dem grünen Mann und meiner Reise vom Urwald zur Mündung des Gyolls zu erzählen, aber das waren hohe Dinge, die ich nicht mir nichts, dir nichts hinausschreien wollte. Anstelle einer Antwort erhielt er das Machtwort, das für die Zitadelle und ihren Kastellan gedacht ist.
    Wegen seiner Lahmheit hätte ich ihn Platz behalten lassen, aber ich war zu langsam; er sprang auf die Beine und salutierte und fiel sogleich auf die Knie, um mir die Hand zu küssen. Er war somit der erste, der mir huldigte, obgleich er

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