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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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daß dem so ist. Durch unsre Gnade werden wir selbst dem übelsten Missetäter einen raschen Tod gewähren. Nicht weil er uns dauert, sondern weil es unduldbar ist, daß gute Menschen ihr Lebtag Schmerz zufügen sollen.«
    Seine Hand bewegte sich nach oben, und die Linsen blitzten auf. Zum einzigen Mal in all den Jahren, seitdem ich ihn kannte, konnte ich den Jüngling sehen, der er gewesen war. »Es muß von guten Menschen getan werden. Ihr irrt, Autarch! Unduldbar wäre, daß es von schlechten Menschen getan würde.«
    Ich lächelte. Sein Gesicht, wie ich es nun gesehen hatte, erinnerte mich an etwas, das ich mir vor Monaten aus dem Kopf geschlagen hatte: daß nämlich diese Zunft meine Familie war, die einzige Heimat, die ich je hatte. Nie fänd’ ich einen Freund in der Welt, könnte ich hier keine Freunde finden. »Zwischen uns, Meister«, sagte ich, »herrscht Einigkeit – es sollte überhaupt nicht getan werden.«
    Er gab keine Antwort, und ich erkannte an seiner Miene, daß er überhaupt nicht gehört hatte, was ich sagte. Er hatte vielmehr auf meine Stimme gehorcht, und über sein betagtes Gesicht huschten Zweifel und Freude wie Schatten und Feuerschein.
    »Ja«, sagte ich, »Severian«, und während er um Fassung rang, trat ich zur Tür und holte meine Gürteltasche, die ein Offizier der Wache auf mein Geheiß mitgebracht hatte. Sie war eingeschlagen in meinen nachtschwarzen Gildenmantel, der arg mitgenommen und zu bloßem Schwarz mit rostbraunem Stich ausgebleicht war. Indem ich den Mantel über Meister Palaemons Pult breitete, öffnete ich die Gürteltasche und entleerte ihren Inhalt. »Das ist alles, was wir zurückgebracht haben«, erklärte ich.
    Er lächelte wie einst im Klassenzimmer, wenn er mich bei irgendeiner Kleinigkeit ertappt hatte. »Das und den Thron? Darf man die Geschichte hören?«
    Das durfte er. Es dauerte lange, und mehr als einmal klopften meine Beschützer an die Tür, um sich zu überzeugen, das ich wohlauf sei. Schließlich ließ ich uns etwas zu essen bringen; als vom Fasan nur mehr Knochen übrig und die Pasteten verzehrt und der Wein getrunken waren, unterhielten wir uns noch immer. Bei diesem Gespräch ist in mir die Idee gereift, die schließlich in Form dieser Niederschrift meines Lebens Früchte getragen hat. Ich beabsichtigte ursprünglich, mit dem Tag meines Aufbruchs von unserm Turm zu beginnen und mit dem Tag meiner Rückkunft zu schließen. Aber mir wurde bald klar, daß mit diesem Aufbau zwar die Symmetrie gegeben wäre, die von den Kunstverständigen so gepriesen wird, aber kein Mensch ohne Wissen um meine Jugend meine Abenteuer verstehen könnte. In diesem Sinn blieben auch einige Elemente meiner Geschichte unvollständig, würde ich sie nicht auf ein paar Tage nach meiner Rückkehr ausdehnen (was ich nun zu tun gedenke). Vielleicht habe ich für jemand das Goldene Buch ersonnen. Vielleicht sind alle meine Wanderungen weiter nichts als eine Erfindung der Bibliothekare, um ihre Reihen ergänzen zu können; aber vielleicht wäre sogar das der Hoffnung zuviel.
     

 
Der Schlüssel zum Universum
     
    Nachdem er alles gehört hatte, trat Meister Palaemon vor das Häuflein meiner persönlichen Habe und nahm Heft, Knauf und Parierstange, die kärglichen Reste von Terminus Est, in die Hand. »War ein gutes Schwert«, sagte er. »Wär’ Euch fast zum Verhängnis geworden, aber war ein gutes Schwert.«
    »Wir haben es stets stolz getragen und nie einen Grund zur Klage gehabt.«
    Er seufzte, wobei ihm anscheinend die Luft im Halse steckenblieb. »Die Klinge macht ein Schwert aus, nicht das Geschirr. Dieses wollen wir zusammen mit Eurem Mantel und der Gürteltasche in der Gilde aufbewahren, weil sie Euch gehört haben. Wenn Ihr und ich schon Jahrhunderte tot sein werden, werden alte Männer wie ich sie ihren Lehrlingen zeigen. Schade, daß wir nicht auch die Klinge haben. Ich habe sie viele Jahre benutzt, ehe Ihr in die Zunft gekommen seid, und hätte nie gedacht, daß sie zerstört würde im Kampf mit einer diabolischen Waffe.« Er legte den Opalknauf nieder und sah mich stirnrunzelnd an. »Was plagt Euch? Ich hab’ Männer gesehn, die verziehn das Gesicht weniger, wenn ihnen die Augen ausgerissen werden.«
    »Es gibt die verschiedensten diabolischen Waffen, wie du sie nennst, gegen die Stahl nichts ausrichten kann. Wir sahen einiges davon, als wir in Orithyia waren. Und dort sind Zehntausende Soldaten von uns, die sie mit Lichtlanzen und Wurfspießen und Schwertern, die

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