Die Zitadelle des Autarchen
die Tochter des Waffenträgers ausgesandt hat‹, sagte der zweite Freier. ›Magst du auch deine Gestalt ändern, der Ring verrät dich allemal.‹
Hierauf zückte die braune Gestalt das Schwert und reichte es, mit dem Heft voraus, dem zweiten Freier. ›Du hast mich erkannt‹, sagte sie. ›Was willst du, daß ich tue?‹
›Kehre mit mir zum Haus des Waffenträgers zurück‹, sagte der Freier, ›damit ich dich der Tochter des Waffenträgers zeige und somit ihre Hand gewinne.‹
›Ich will gern mit dir zurückkehren, wenn du es wünschst‹, versetzte die braune Gestalt. ›Aber sei gewarnt, denn wenn sie mich sieht, sieht sie in mir nicht, was du in mir siehst.‹
›Trotzdem komm mit mir!‹ erwiderte der Freier, denn er wußte nicht, was er sonst hätte sagen sollen.
Auf einer solchen Brücke, wie sie die Gebirgler bauen, kann ein Mann sich ohne Mühe umdrehen, was einem Vierbeiner allerdings nicht leicht fiele. Also mußten sie bis zum anderen Ende gehen, damit der Freier sein Tier wenden und seine Schritte wieder zum Haus des Waffenträgers kehren könnte. ›Wie umständlich das ist‹, sagte er bei sich, ›wie mühsam und gefährlich. Ließe sich dem nicht ein Vorteil abgewinnen?‹ Schließlich rief er der braunen Gestalt zu: ›Ich muß diese Brücke überqueren und dann wieder umkehren. Aber mußt du das auch? Warum fliegst du nicht zur andren Seite und wartest dort auf mich?‹
Hierauf lachte die braune Gestalt, wundersam trällernd. ›Hast du nicht gesehn, daß einer meiner Flügel eingebunden ist? Ich bin einem deiner Rivalen zu nahe gekommen und hab’ einen Schwertstreich abbekommen.‹
›Du kannst also nicht weit fliegen?‹ wollte der Freier wissen.
›Nein, überhaupt nicht weit. Als du zu dieser Brücke kamst, ruhte ich auf dem braunen Brückenboden, und als ich deine Schritte hörte, hatte ich kaum die Kraft aufzufliegen.‹
›Aha‹, sagte der zweite Freier, mehr nicht. Aber insgeheim dachte er: ›Wenn ich diese Brücke durchtrennte, wäre die Lerche gezwungen, wieder ihre Vogelgestalt anzunehmen – freilich könnte sie nicht weit fliegen, und ich hätt’ sie bald erlegt. Wenn ich sie dann zurückbrächte, würde die Tochter des Waffenträgers sie erkennen.‹
Auf der anderen Seite angelangt, klopfte er seinem Tier beim Wenden den Hals, glaubte er doch, es werde sterben, aber das allerbeste Reittier wäre ein kleiner Preis für einen so stattlichen Besitz mit großen Herden. ›Folge uns!‹ sagte er zur braunen Gestalt und führte sein Tier wieder auf die Brücke, so daß er als erster diese atemberaubende Kluft in luftiger Höhe überquerte und den Renner hinter sich führte, während die braune Gestalt zuhinterst folgte. ›Das Tier wird hochsteigen, wenn die Brücke stürzt‹, mutmaßte er, ›und der Geist der Lerche wird somit nicht an ihm vorbeihuschen können, muß also wieder Vogelgestalt annehmen oder sterben.‹ Sein Vorhaben, müßt ihr wissen, entsprang dem Glauben meiner Heimat, daß solche Zauberwesen, die ihre Gestalt ändern können, dies – gleichsam wie Gedanken – nie unter Zwang tun.
Über die lange durchhängende Brücke stiegen sie also hinab und erklommen die Seite, woher der zweite Freier gekommen war; sobald er den Fuß auf den Fels setzte, zog er sein Schwert, sein kunstgerecht geschärftes. Es hatte die Brücke zwei Seile als Geländer und zwei, welche den Boden trugen. Diese hätte er zuerst durchhauen sollen, vergeudete aber einen Moment zuviel an den oberen; die braune Gestalt sprang von hinten in den Sattel, spornte den Renner und ritt ihn nieder. So endete er unter den Hufen seines eigenen Tieres.
Nachdem der jüngste Freier, der seewärts zog, ebenfalls einige Tage geritten war, gelangte er an die Küste. Dort, am Strand der rastlosen See, begegnete er einer Gestalt in braunem Mantel, mit braunem Hut, einem braunen Tuch über Nase und Mund und einem goldenen Ring um den braunen Stiefelschaft.
›Sieh mich an!‹ rief die braune Gestalt. ›Wenn du errätst, wer ich bin, sei mir dein Wunsch Befehl.‹
›Du bist ein Engel‹, entgegnete der jüngste Freier, ›ausgesandt, um mich zur Lerche zu führen, die ich suche.‹
Hierauf zückte die braune Gestalt das Schwert und reichte es, mit dem Heft voraus, dem jüngsten Freier. ›Du hast mich erkannt‹, sagte sie. ›Was willst du, daß ich tue?‹
›Ich will mich nicht erdreisten, den Willen des Herrn der Engelsscharen zu mißachten‹, antwortete der jüngste Freier.
›Da du
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