Die Zitadelle des Autarchen
hatte, war sie vielleicht die Allerschönste weit und breit.
Nachdem sie angekleidet und geschmückt war, schickte sie ihre Zofe, den Vater und die drei Freier zu holen. ›Seht‹, sagte sie. ›Mit einem Ring aus Gold ist meine Stirn bekränzt, und kleinere Ringe hängen von meinen Ohren. Die Arme, die einen von Euch dereinst umfangen werden, sind umfangen von noch kleineren Ringen, und gar noch kleinere Ringe stecken an meinen Fingern. Mein Halsgeschmeide mögt Ihr freizügig betrachten, indes sind keine Ringe darin. Aber es gibt noch ein Ringlein in diesem Gemach – ein Ringlein, das ich nicht trage. Vermag einer von Euch es zu finden und mir zu bringen?‹
Die drei Freier blickten sich eifrig um, suchten unter dem Teppich und unter dem Bette. Schließlich nahm der Jüngste das Vogelbauer mit der Lerche vom Haken und trug es zur Tochter des Waffenträgers; und siehe da, am rechten Bein der Lerche steckte ein goldenes Ringlein. ›Nun hört‹, sagte sie. ›Zum Weib soll mich haben, wer mir dieses braune Vöglein wieder zeigen kann.‹
Und mit diesen Worten öffnete sie das Bauer, griff hinein, trug die Lerche auf dem Finger zum Fenster und warf sie in die Luft. Die drei Freier sahen das goldene Ringlein kurz in der Sonne aufblitzen, und die Lerche stieg empor, bis sie nur mehr ein Punkt am Himmel war.
Sogleich eilten die Freier über die Treppe zur Tür hinaus, riefen nach ihren Rossen, den schnellfüßigen Freunden, welche sie schon so viele Meilen durch die öden Pampas getragen hatten. Sie warfen ihnen den silberbeschlagenen Sattel auf den Rücken, und binnen eines Augenblicks waren sie auf und davon und außer Sicht für den Waffenträger und seine Tochter und füreinander, denn der eine hielt auf die Urwälder des Nordens zu, der zweite aufs Gebirge im Osten und der Jüngste auf die rastlose See im Westen.
Nachdem derjenige, der nordwärts zog, einige Tage geritten war, gelangte er an einen reißenden Fluß, der unpassierbar war, so daß er, stets achtsam auf das Lied der Vögel horchend, seinem Ufer folgte, bis er an eine Furt kam. In dieser Furt stand ein brauner Renner mit braunem Reiter. Das Gesicht des Reiters war mit einem braunen Halstuch verhüllt; sein Mantel, sein Hut und all sein Gewand waren braun, und um den Schaft seines rechten braunen Stiefels steckte am Knöchel ein goldener Ring.
›Wer seid Ihr?‹ rief der Freier.
Die Gestalt in Braun antwortete mit keiner Silbe.
›Es war bei uns im Haus des Waffenträgers ein gewisser Jüngling, der am vorletzten Tag verschwand‹, sagte der Freier, ›und ich denke, dieser seid Ihr. Irgendwie werdet Ihr von meiner Suche erfahren haben und versucht jetzt, mich daran zu hindern. Nun denn, geht mir aus dem Weg oder sterbt, wo Ihr steht!‹
Und mit diesen Worten zückte er sein Schwert und spornte seinen Renner, in den Strom zu steigen. Sie schlugen sich eine ganze Weile, wie die Männer meiner Heimat kämpfen – das Schwert in der Rechten und den langen Dolch in der Linken –, denn der Freier war ein starker, wackerer Mann und der braune Reiter ein flinker, gewandter Fechter. Aber schließlich fiel der Braungewandete, und sein Blut verdunkelte das Wasser.
›Ich laß’ Euch Euren Renner‹, rief der Freier, ›falls Ihr noch die Kraft habt, Euch in den Sattel zu schwingen. Denn ich bin gnädig.‹ Und er ritt von dannen.
Nachdem derjenige, der ins Gebirge aufgebrochen war, auch ein paar Tage geritten war, gelangte er an eine Brücke, wie sie die Gebirgler bauen: ein schmales Geflecht aus Seilen und Bambus, gleich einer Spinnwebe über die Kluft gespannt. Nur ein Tor reitet über einen solch schwankenden Steg, also stieg er ab und führte sein Tier am Zügel.
Als er die Hängebrücke betrat, hielt er sie für leer. Aber kaum hatte er ein Viertel hinter sich, erschien in der Mitte eine Gestalt. Der Form nach handelte es sich um einen Menschen, aber sie war ganz braun bis auf einen weißen Fleck und hatte am Rücken offenbar braune Flügel. Als der zweite Freier noch näher war, sah er, daß sie einen goldenen Ring am Stiefelschaft trug, und die braunen Flügel wirkten nun lediglich wie ein Mantel von dieser Farbe.
Sodann bemerkte er ein Zeichen im Himmel über sich, das einen beschützt vor jenen Geistern, die ihren Schöpfer vergessen haben, und er rief: ›Sag an, wer bist du?‹
›Sieh mich an!‹ antwortete die Gestalt. ›Wenn du errätst, wer ich bin, soll mir dein Wunsch Befehl sein.‹
›Du bist der Geist der Lerche, welche
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