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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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hatte, und stand bald an der Tür der Tochter des Waffenträgers.
    Als er eintrat, saß sie auf der Fensterbank und blätterte in einem der uralten Bücher, die ihre Mutter aus dem Elternhaus mitgebracht hatte, und lauschte dem Lied einer Lerche in einem Vogelbauer. Zu diesem Bauer ging er nun und sah, daß die Lerche darin an einem Bein ein goldenes Ringlein trug. Verwundert richtete er seinen Blick auf die Tochter des Waffenträgers.
    ›Hat dir der Engel, der dir am Strand begegnet ist, nicht versprochen, dich zur Lerche zu führen?‹ sagte sie. ›Und auf dem besten Weg? Allmorgendlich öffne ich das Bauer und entsende sie in die Lüfte, damit sie ihre Flügel übe. Bald kehrt sie zurück in das Bauer, wo sie Futter und frisches Wasser und Geborgenheit hat.‹
    Es geht die Rede, die Vermählung des jüngsten Freiers mit der Tochter des Waffenträgers sei die schönste gewesen, die man in meiner Heimat je erlebt habe.
     

 
Mannea
     
    An jenem Abend wurde viel über Foilas Geschichte gesprochen, und diesmal war ich’s, der um Bedenkzeit bat und das Urteil hinausschob. In der Tat hatte ich eine große Abscheu davor entwickelt, ein Urteil fällen zu müssen, was vielleicht von meiner Erziehung bei den Folterern herrührte, die ihren Lehrlingen von Kindheit an einbleuen, die Sprüche der von den Beamten unserer Republik (im Gegensatz zu ihnen selbst) ernannten Richter auszuführen.
    Obendrein lag mir etwas viel Wichtigeres am Herzen. Ich hatte gehofft, daß Ava uns das Abendessen brächte, aber als dies nicht zutraf, stand ich trotzdem auf, zog die eigenen Sachen an und schlich mich in der hereinbrechenden Dunkelheit davon.
    Zu meiner Überraschung – und großen Freude – stellte sich heraus, daß ich wieder Kraft in den Beinen hatte. Ich war seit einigen Tagen fieberfrei, hatte mich jedoch so an das Kranksein gewöhnt (gleichsam wie meine Gesundheit vorher selbstverständlich war), daß ich ohne Murren auf meinem Lager ausgeharrt hatte. Zweifellos ist so mancher, der auf den Beinen ist und seiner Arbeit nachgeht, todkrank, ohne es zu ahnen, während viele den ganzen Tag lang im Bett liegen, obgleich sie gesünder sind als jene, die ihnen das Essen bringen und sie pflegen.
    Während ich den verschlungenen Wegen zwischen den Zelten folgte, überlegte ich, wann ich mich zuletzt so wohlauf gefühlt hatte. Nicht in den Bergen oder auf dem See – die Unbillen, denen ich dort ausgesetzt gewesen war, hatten mich so ausgemergelt, daß ich dem Fieber zum Opfer fiel. Nicht als ich aus Thrax floh, denn die Arbeit als Liktor hatte an meinen Kräften gezehrt. Nicht bei meiner Ankunft in Thrax; Dorcas und ich hatten eine fast ebenso beschwerliche Reise durch unwegsame Wildnis wie meine spätere Bergwanderung hinter uns. Nicht einmal während meines Aufenthalts im Hause Absolut (einer Zeit, die mir nun so entrückt schien wie die Regentschaft des Ymar), denn damals litt ich noch unter den Nachwirkungen des Alzabos und der Aufnahme von Theclas toten Erinnerungen.
    Schließlich kam ich darauf: ich fühlte mich nun wie an jenem denkwürdigen Morgen, als Agia und ich uns zum Botanischen Garten aufmachten, jenem ersten Morgen nach meinem Aufbruch aus der Zitadelle. An diesem Morgen hatte ich, wenn auch unbewußt, die Klaue erhalten. Zum ersten Mal fragte ich mich, ob es nicht sowohl ein Fluch als auch ein Segen gewesen sei. Andrerseits waren vielleicht all die Monate bis jetzt erforderlich, um ganz vom Gift des Avernenblatts zu genesen, das mich am gleichen Abend verletzt hatte. Ich nahm die Klaue hervor und betrachtete ihren silbrigen Schein, und als ich den Blick hob, bemerkte ich das leuchtende Scharlachrot der Pelerinenkapelle.
    Ich vernahm Gesang und wußte, daß es noch eine Weile dauern würde, bis sie leer wäre, schritt aber dennoch voran, trat leise durch die Tür und nahm ganz hinten Platz. Zur Liturgie der Pelerinen will ich mich nicht äußern. So etwas angemessen zu beschreiben ist nicht immer einfach, und selbst wenn es sich verständlich darstellen ließe, würde es sich nicht geziemen. Die Zunft der Wahrheitssucher und Büßer, der ich einst selbst angehört habe, hat eigene Gebräuche, wovon ich an anderer Stelle gesprochen habe. Wie auch die Zunft so haben auch die Pelerinen einen eigenen, obwohl früher vielleicht allgemein gebräuchlichen Ritus.
    Soweit sich das als unvoreingenommener Beobachter beurteilen ließ, waren ihre Rituale zwar schöner, aber weniger dramatisch und somit auf lange Sicht weniger

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