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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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als Kavallerist, bewaffnet mit einem Contus und einem schmalen Säbel an jeder Seite des Sattelknaufs. Bei ihrem Anblick stellte ich mir unwillkürlich vor, was für ein Bild andere Frauen, die ich gekannt hatte, unter solchen Umständen abgäben: Thea sah ich als theatralische Kriegerin, schön und dramatisch, aber im Grunde eine bloße Galionsfigur; Thecla – nun Teil von mir – eine rachsüchtige Heldin, vergiftete Waffen schwingend; Agia auf einem schnellfüßigen Fuchs mit einem Harnisch, ihren Körperrundungen nachgebildet, während ihr Haar, mit Bogensehnen verflochten, wild im Wind wehte; Jolenta als schön geputzte Königin in einer mit Stacheln versehenen Rüstung, deren üppige Brüste und dralle Schenkel bei jeder schnelleren Gangart als dem Schritt drollig hüpften, die bei jedem Halt verträumt lächelte und versuchte, sich in den Sattel zurückzulehnen; Dorcas als reitende Wassernixe, hochgetragen wie eine im Sonnenlicht funkelnde Fontäne; Valeria vielleicht als aristokratische Daria.
    Als ich sah, wie unsere Leute auseinandersprengten, glaubte ich, unsere Kolonne ließe sich nicht wieder sammeln; aber schon wenige Augenblicke nachdem der fünffingrige Luftwandler über uns hinweggezogen war, waren wir wieder zusammen. Wir legten die nächste Meile oder mehr im scharfen Galopp zurück – hauptsächlich wohl, um die Nervosität unserer Streitrosse zu lösen – und hielten dann bei einem Bach an, wo wir sie so tränkten, daß sie ein feuchtes Maul hatten, aber nicht träge waren ob eines vollen Bauchs. Als ich den Schecken vom Ufer weg bewegt hatte, ritt ich auf eine Lichtung, von der aus ich den Himmel beobachten konnte. Bald trabte Guasacht heran und fragte mich scherzhaft: »Suchst nach weiteren?«
    Ich nickte und meinte, ein solches Gefährt noch nie gesehn zu haben.
    »Wohl kaum, wenn du noch nicht dicht an der Front gewesen bist. Sie würden nicht wiederkehren, wenn sie versuchten, in den Süden zu ziehn.«
    »Soldaten wie wir könnten sie gewiß nicht aufhalten.«
    Er wurde plötzlich ernst. Seine kleinen Augen waren bloß mehr Schlitze in der sonnengebräunten Haut. »Nein. Aber schneidige Kerle können ihre Beutezüge aufhalten. Die Kanonen und Luftgaleeren können das nicht.«
    Der Schecke stapfte und trat ungeduldig auf der Stelle. Ich sagte: »Ich komme aus einem Teil der Stadt, von dem du vermutlich noch nie etwas gehört hast, der Zitadelle. Es stehn dort Kanonen, die übers ganze Viertel zeigen, aber seit Menschengedenken sind sie, ausgenommen bei Feierlichkeiten, nicht mehr abgefeuert worden.« Noch immer zum Himmel blickend, stellte ich mir vor, wie das fünffingrige Gefährt über Nessus flöge und tausend Schüsse nicht nur vom Vorwerk und Großen Turm, sondern von allen Türmen erdröhnten; und ich fragte mich, mit welchen Waffen das Gefährt antworten würde.
    »Komm jetzt!« sagte Guasacht. »Ich weiß, es ist eine große Versuchung, ständig nach ihnen Ausschau zu halten, hilft aber nichts.«
    Ich kehrte mit ihm zum Bach zurück, wo Erblon die Kolonne Aufstellung nehmen ließ. »Sie haben nicht einmal auf uns geschossen. Kanonen haben sie bestimmt in diesen Fliegern.«
    »Wir sind recht kleine Fische.« Ich sah ihm an, daß er wünschte, ich solle in die Kolonne zurückkehren, obgleich er sich nicht getraute, mir einen direkten Befehl zu geben.
    Was mich anging, so spürte ich, daß mich gleich einem Gespenst Angst überkam; hauptsächlich fuhr sie mir in die Beine, griff aber auch mit kalten Tentakeln nach meinem Bauch und nach meinem Herzen. Ich wollte still sein, konnte aber nicht zu reden aufhören. »Wenn wir das Schlachtfeld betreten …« (Ich stellte mir dieses Feld wohl als die gemähten Rasen des Blutackers vor, worauf ich gegen Agilus gekämpft hatte.)
    Guasacht lachte. »Wenn wir uns in den Kampf stürzen, dann wären unsere Kanoniere froh, sie in unserem Gefolge zu sehen.« Ehe ich es mich versah, hatte er meinem Schecken einen Schlag mit seiner flachen Klinge versetzt, so daß er davongaloppierte.
    Angst ist wie jene Krankheiten, die das Gesicht mit Narben entstellen. Man fürchtet sich beinahe mehr davor, daß jemand sie sehen könnte, als vor ihrer Ursache, wodurch man sich bald nicht nur beschämt, sondern verdorben vorkommt. Als der Schecke langsamer wurde, ließ ich ihn die Schenkel spüren und reihte mich als allerletzter wieder in die Kolonne ein.
    Unlängst noch im Begriff, Erblons Platz einzunehmen, war ich nun, nicht durch Guasacht, sondern durch mich

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