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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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selbst, an den hintersten Platz verwiesen worden. Freilich war das Ding, das ich fürchtete, schon vorüber, als ich half, die versprengten Reiter zu sammeln, so daß das ganze Drama meiner Erhebung sich abgespielt hatte, nachdem es in Erniedrigung geendet hatte. Es war gleichsam so, als sähe man, wie in einem öffentlichen Park ein Jüngling erdolcht würde, der dann ahnungslos Bekanntschaft mit der Frau seines Mörders machte und sie schließlich, nachdem er sich vergewissert hätte, daß ihr Gemahl an einem anderen Ende der Stadt weilte, an sich klammerte, daß sie schrie vor Schmerz, der vom aus seiner Brust hervorstehenden Dolchheft herrührte.
     
    Als die Kolonne sich in Bewegung setzte, löste sich Daria aus der Reihe und wartete, bis sie sich mir anschließen konnte. »Du fürchtest dich«, sagte sie. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, und kein Tadel, sondern beinahe ein Losungswort wie die blödsinnigen Sprüche, die ich an Vodalus’ Tafel gelernt hatte.
    »Ja. Du erinnerst mich an meine stolze Behauptung, die ich im Wald aufgestellt habe. Ich kann nur sagen, ich habe damals nicht geahnt, daß es eine leere Phrase sei. Selbst wenn ein Klient, das hat ein gewisser weiser Mann mich einst zu lehren versucht, eine Folter gemeistert hat, so daß er seelisch davon unberührt bleibt, während er sich windet und schreit, so mag eine andere Folter seinen Willen ebenso leicht brechen wie den Willen eines Kindes. Ich habe gelernt, all dies auf Befragen zu erklären, aber erst jetzt kann ich’s auf mein Leben anwenden. Doch wenn ich hier Klient bin, wer ist dann mein Folterer?«
    »Wir alle fürchten uns mehr oder weniger«, meinte sie. »Das ist der Grund, warum – ja, ich hab’s gesehn – Guasacht dich weggeschickt hat. Damit deine Verfassung nicht auf sein Gemüt schlägt. Wenn sein Mut sinkt, kann er uns nicht führen. Wenn die Zeit kommt, wirst du tun, was du zu tun hast, und das ist alles, was ein jeder tut.«
    »Sollen wir nicht los?« fragte ich. Das Ende der Kolonne entfernte sich in jener Schlangenlinie, in der sich der Schwanz einer langen Reihe immer bewegt.
    »Wenn wir jetzt losreiten, dann wissen viele von denen, daß wir am Schluß sind, weil wir uns fürchten. Wenn wir noch ein bißchen warten, werden viele von denen, die dich mit Guasacht sprechen sahen, glauben, du seist zurückgeschickt worden, um Nachzügler anzutreiben, und daß ich dir folgte, um bei dir zu sein.«
    »Also gut«, sagte ich.
    Ihre Hand, feucht vor Schweiß und schmal wie Dorcas’ Hand, glitt in die meine.
    Bis zu jenem Augenblick war ich mir sicher gewesen, sie habe schon an Schlachten teilgenommen. Nun fragte ich sie: »Ist’s für dich auch das erste Mal?«
    »Ich kämpfe besser als viele von denen«, erklärte sie, »und ich bin es satt, dauernd Hure genannt zu werden.« Gemeinsam trotteten wir hinter der Kolonne her.
     

 
Schlacht
     
    Ich sah sie zuerst als bunte Tupfer an der gegenüberliegenden Seite des weiten Tales – Plänkler, die hin und her hüpften wie die Blasen auf der Oberfläche eines Mostkruges. Wir trabten durch einen lichten Wald, dessen weißes blankes Holz wie der lebendige Knochen in einem komplizierten Bruch wirkte. Unsere Kolonne war nun viel größer und umfaßte vielleicht alle irregulären Contarii. Etwa eine halbe Wache lang waren wir unter mehr oder weniger leichtem Beschuß gestanden. Bei diesem feindlichen Hinhaltemanöver wurden einige Kavalleristen verwundet (einer neben mir recht schlimm); ein paar fanden dabei den Tod. Die Verwundeten versorgten sich selbst und versuchten, sich gegenseitig zu helfen – falls es eine Sanitätstruppe für uns gab, dann nur weit hinter uns, denn ich bekam keine zu sehen.
    Hin und wieder stießen wir zwischen den Bäumen auf Leichen; für gewöhnlich lagen sie dort in Grüppchen von zweien oder dreien, zuweilen aber auch einzeln. Ich bemerkte einen Toten, der sich beim Stürzen mit dem Kragen seines Panzerhemds in einem hervorstehenden Aststumpf verfangen hatte, und empfand tiefes Grauen, war er doch tot, ohne ruhen zu können, was freilich das Los all der abertausend Bäume war; der Bäume, die tot waren, aber nicht fallen konnten.
    Zur etwa gleichen Zeit, zu der ich den Feind bemerkte, erkannte ich, daß sich zu beiden Seiten Truppen unseres eigenen Heeres befanden. Zu unsrer Rechten eine Mischung, wie es schien, aus Berittenen und Infanteristen. Die Reiter waren unbehelmt und bis zur Hüfte nackt und trugen eingerollte rotblaue Decken

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