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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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zufriedengeben … Sie sind natürlich Khaibits, aus den Körperzellen beglückter Damen gezüchtet, damit sich durch einen Blutaustausch die Jugend der Beglückten verlängern läßt. Ich verstehe mich darauf, den Klienten bei den Begegnungen, die ich arrangiere, das Gefühl einzigartiger Erlebnisse zu vermitteln anstatt einer Mischung aus schwülstiger Romantik und kalter Verderbtheit. Meinst du nicht auch, etwas Einzigartiges erlebt zu haben?«
    »So nennen wir sie auch«, sagte ich. »Klienten.« Ich hatte neben seinen Worten auch seinem Tonfall gelauscht. Er war glücklich wie bei keiner unsrer anderen Begegnungen, und ihn zu hören war, wie eine Drossel sprechen zu hören. Er war sich dessen anscheinend selbst gewahr, denn er hob das Gesicht und streckte das Kinn vor und trällerte das R in arrangieren und Romantik in den Sonnenschein hinaus.
    »Es hat auch seine nützlichen Seiten. Ich bleibe mit der Kehrseite der Gesellschaft in Verbindung, so daß ich erfahre, ob Steuern wirklich eingetrieben werden, ob man sie für gerecht erachtet, welche Elemente im Volk aufsteigen und welche untergehn.«
    Ich hatte das Gefühl, er beziehe sich auf mich, obschon ich nicht wußte, was er meinte. »Jene Damen vom Hofe«, sagte ich. »Warum greift Ihr für diese Dienste nicht auf die echten zurück? Eine von ihnen gab vor, Thecla zu sein, während Thecla im Kerker unsres Turmes lag.«
    Er sah mich an, als hätte ich etwas besonders Dummes gesagt, was ich ja auch getan hatte. »Weil ich ihnen nicht trauen kann, natürlich. So etwas muß geheim bleiben … Stell dir vor, was für Möglichkeiten zum Meuchelmord sich böten. Meinst du, weil diese goldbehangenen Persönlichkeiten aus uralten Geschlechtern sich vor mir so tief verbeugen und lächeln und diskrete Scherze und kleine unzüchtige Einladungen flüstern, wären sie mir auch nur ein bißchen in Treue ergeben? Du wirst das Gegenteil erfahren, darfst mir glauben. Es gibt wenige bei Hofe, denen ich trauen kann, und niemand unter den Beglückten.«
    »Ihr sagt, ich werd’ das Gegenteil erfahren. Heißt das, daß Ihr nicht gedenkt, mich hinzurichten?« Das Herz schlug mir bis zum Halse, und schon sah ich das scharlachrote Blut spritzen.
    »Weil du nun mein Geheimnis kennst? Nein, wir brauchen dich für etwas anderes, wie ich in unserm Gespräch im Zimmer hinter dem Gemälde bereits sagte.«
    »Weil ich mich Vodalus verschworen habe?«
    Das belustigte ihn. Er warf den Kopf zurück und lachte wie ein pausbackiges Kindchen, das gerade das Geheimnis eines sinnigen Spielzeugs durchschaut hat. Als er die Fassung wiedererlangte und aus dem Gelächter schließlich ein heiteres Glucksen wurde, klatschte er in die Hände, daß es ordentlich schallte, obgleich sie so sanft aussahen.
    Zwei Geschöpfe mit Frauengestalt und Katzenkopf traten ein. Ihre Augen lagen eine Spanne auseinander und waren groß wie Pflaumen. Sie schritten auf Zehenspitzen wie manche Tänzerinnen, freilich freier und graziler als alle, die ich bislang gesehen hatte. Ihrem Gang war zu entnehmen, daß diese Bewegung für sie eine ganz natürliche sei. Ich sagte, sie hätten einen Frauenkörper, was nicht ganz stimmte, denn ich entdeckte an den kurzen, weichen Fingern, die mich ankleideten, die Spitzen eingezogener Krallen. Erstaunt ergriff ich von einer die Hand und drückte sie, wie ich manchmal die Pfote einer lieben Katze gedrückt hatte, so daß die Klauen hervortraten. Bei diesem Anblick schossen mir Tränen in die Augen, denn sie hatten die gleiche Form wie jene andere Klaue, welche die Klaue ist und einst in jenem Juwel gesteckt hatte, das ich in meiner Unbedarftheit ›Klaue des Schlichters‹ genannt hatte. Als der Autarch sah, daß ich weinte, sagte er den Frauen, sie täten mir weh und sollten mich herunterlassen. Ich fühlte mich wie ein Kind, das gerade erfahren hatte, es würde seine Mutter nie mehr wiedersehn.
    »Wir tun ihm nicht weh, Herrschaften«, beteuerte die eine mit einer Stimme, wie ich sie noch nie gehört hatte.
    »Laßt ihn runter, sagte ich!«
    »Sie haben mir nicht ein Haar gekrümmt, Sieur«, erklärte ich ihm.
     
    Gestützt auf die Katzen-Frauen, konnte ich gehen. Es war Morgen, wo alle Schatten vor der nahenden Sonne flüchten; das Licht, das mich geweckt hatte, war das erste Licht des Tages gewesen. Ich atmete die Frische des Morgens und schlurfte durchs dichte Gras, das mit seinem Tau meine alten Stiefel dunkel färbte; eine Brise, schwach wie die trüben Sterne, spielte mit meinem

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