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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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schütteres weißes Haar vom getrockneten Blut dunkel gefärbt war.
    Und über ihm Silhouetten, grüne Gestalten, die zu uns niederschauten. Ihre Gesichter waren unsichtbar; aber ich wußte, diese leuchtenden Augen und hageren Züge gehörten nicht zu Vodalus’ Anhängern. Verzweifelt tastete ich nach der Pistole des Autarchen. Meine Hände wurden gepackt. Ich wurde emporgezogen und mußte dabei unwillkürlich an die Frauenleiche denken, die in der Nekropolis vor meiner Nase aus dem Grab gehoben worden war, denn der Flieger war auf weichem Boden gelandet und hatte sich halb ins Erdreich gebohrt. Wo das ascische Geschoß getroffen hatte, war die ganze Seitenwand aufgerissen. Ein Gewirr aus verkohlten Drähten schaute hervor, und das Metall war zerbeult und rußig.
    Mir blieb nicht viel Zeit, den Schaden zu betrachten. Meine Entführer drehten mich immer wieder hin und her, als sie nacheinander mein Gesicht befühlten. Sie betasteten meinen Mantel, als hätten sie noch nie einen Stoff gesehn. Mit ihren großen Augen und hohlen Wangen erinnerten mich diese Evzonen an die Infanterie, gegen die wir gekämpft hatten, obgleich keine Greise und Kinder darunter waren (obwohl sie Frauen in ihren Reihen hatten). Sie trugen silberglänzende Kappen und Hemden anstatt einer Rüstung und seltsam geformte Feuerbüchsen mit so langen Läufen, daß sie über ihren Kopf hinausragten, wenn sie den Kolben auf den Boden abstellten. Als ich sah, wie der Autarch aus dem Flieger gehoben wurde, sagte ich: »Eure Nachricht ist wohl abgefangen worden, Sieur.«
    »Aber nichtsdestoweniger angekommen.« Er war zu schwach, mit dem Finger zu deuten, aber ich folgte seiner Blickrichtung und bemerkte sogleich die fliegenden Gestalten, die sich vor dem Mond abzeichneten.
    Sie schienen schier über seine Strahlen herabzugleiten, so rasch und gerade nahten sie. Ihre Köpfe glichen einem Frauenschädel; sie waren rund und bleich, hatten auf dem Schädeldach einen knöchernen Kamm und an den verlängerten Kiefern einen mit spitzen Zähnen besetzten Schnabel. Sie hatten Flügel, die so gewaltig waren, daß man den Eindruck bekam, sie hätten gar keinen Leib. Mindestens zwanzig Ellen betrug die Spannweite dieser Schwingen. Ihr Flügelschlag war lautlos, aber weit unten spürte man den Luftzug davon.
    (Einmal hatte ich mir solche Wesen vorgestellt, wie sie die Wälder der Urth niedermähten und ihre Städte dem Erdboden gleichmachten. Hatten meine Gedanken geholfen, sie herbeizuholen?)
    Erst nach einer ganzen Weile bemerkten die Evzonen sie.
    Sofort feuerten drei oder vier von ihnen, und die demselben Ziel zustrebenden Geschosse trafen an ihrem Kreuzungspunkt eine und zerrissen sie in Stücke; eine zweite und dritte der beschwingten Gestalten wurde getroffen. Einen Moment lang herrschte völlige Finsternis, und etwas Kaltes, Schlaffes streifte mein Gesicht und warf mich nieder.
    Als ich wieder sehen konnte, war ein halbes Dutzend der Ascier verschwunden, während die übrigen auf Ziele am Himmel feuerten, die für mich nicht zu erkennen waren. Etwas Weißes löste sich von ihnen und fiel herab. Weil ich dachte, es würde explodieren, drückte ich den Kopf flach auf den Boden, aber statt dessen erdröhnte der Rumpf des Fliegers wie eine Glocke. Ein Körper – ein menschlicher Körper, wie eine Puppe zerbrochen – war auf dem Metall aufgeschlagen, ohne daß ein Tropfen Blut geflossen wäre.
    Einer der Evzonen rammte mir seine Büchse in den Rücken und stieß mich vorwärts. Zwei andere stützten den Autarchen, wie mich die Katzen-Frauen gestützt hatten. Wie sich zeigte, hatte ich jegliche Orientierung verloren. Obschon der Mond noch schien, waren die meisten Sterne hinter dichten Wolken verborgen. Vergeblich hielt ich Ausschau nach dem Kreuz und jenen drei Sternen, die man aus Gründen, die keiner versteht, Die Acht nennt und die stets über dem Eis des Südens stehen. Mehrere Evzonen feuerten noch, als ein Speer oder Pfeil heransurrte und eine grelle Lohe weißer Funken in die Höhe schlug.
    »Das wird genügen«, flüsterte der Autarch.
    Ich rieb mir die Augen und fragte, während ich vorwärtshumpelte, was er meine.
    »Siehst du was? Sie auch nicht. Unsre Freunde in der Luft – Vodalus’ Leute, denk’ ich – wußten nicht, daß unsre Entführer so gut bewaffnet wären. Nun ist’s vorbei mit dem Zielen, und sobald diese Wolken vor die Mondscheibe ziehn …«
    Ich fröstelte, als wäre ein kalter Bergwind durch die laue Luft gefahren. Vor wenigen

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