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Die Zitadelle des Autarchen

Die Zitadelle des Autarchen

Titel: Die Zitadelle des Autarchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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sagte ich. »Ich bin zu schwach.«
    »Du hast dich erstaunlich schnell erholt, wie ich festgestellt habe. Ja, die Chatelaine Thecla ist nicht mehr, abgesehen davon, daß sie in dir fortlebt, und obgleich ihr beide stets zusammen seid, fühlt ihr euch beide einsam. Sehnst du dich noch immer nach Dorcas? Du hast mir von ihr erzählt, weißt du noch, als wir uns im Geheimen Haus begegnet sind.«
    »Warum habt Ihr Thecla töten lassen?«
    »Das habe ich nicht. Dein Irrtum ist zu glauben, daß hinter allem ich stecke. Aber das ist nicht so … weder bei mir noch bei Erebus oder sonst jemand. Um auf die Chatelaine zurückzukommen – du bist sie. Hat man dich offen verhaftet?«
    Die Erinnerung kam lebhafter zurück, als ich es für möglich gehalten hätte. Ich ging durch einen Korridor mit traurigen Silbermasken an den Wänden und betrat eines jener prachtvollen, hohen Zimmer mit uralten, modrig riechenden Wandbehängen. Der Kurier, den ich treffen sollte, war noch nicht da. Weil ich wußte, daß ich mir an den staubigen Diwanen das Gewand beschmutzen würde, setzte ich mich auf einen Stuhl, ein zierliches Ding aus vergoldetem Holz und Elfenbein.
    Der Wandteppich hinter mir fiel auf mich herab; ich sah noch, wie das gekrönte Schicksal in Ketten und die Unzufriedenheit mit ihrem gläsernen Stab, alles aus bunter Wolle gewirkt, auf mich herabstürzten.
    Der Autarch sagte: »Du wurdest von gewissen Offizieren ergriffen, die in Erfahrung gebracht hatten, daß du dem Geliebten deiner Halbschwester Informationen übermittelt hattest. Insgeheim also verhaftet, weil deine Familie im Norden großen Einfluß hat, und in ein fast vergessenes Gefängnis verlegt. Als ich erfuhr, was dir widerfahren sei, warst du schon tot. Hätte ich diese Offiziere bestrafen sollen für ihr eigenmächtiges Handeln während meiner Abwesenheit? Schließlich waren sie Patrioten, und du warst der Verräter.«
    »Ich, Severian, bin auch ein Verräter«, sagte ich und erzählte ihm nun zum ersten Mal ausführlich, wie ich einst Vodalus gerettet und später an seinem Bankett teilgenommen hatte.
    Nachdem ich geschlossen hatte, nickte er für sich. »Die Loyalität, die du für Vodalus empfunden hast, stammt hauptsächlich von der Chatelaine, kann man sagen. Den kleineren Teil vermittelte sie dir, als sie noch lebte, den größeren dann nach ihrem Tode. So naiv du auch gewesen bist, ich bin mir sicher, du bist nicht so naiv zu glauben, es sei ein Zufall, daß ausgerechnet dir ihr Fleisch von den Leichenfressern vorgesetzt worden ist.«
    Ich wandte ein: »Selbst wenn er von meiner Bindung zu ihr gewußt hätte, wäre keine Zeit gewesen, die Leiche aus Nessus heranzuschaffen.«
    Der Autarch lächelte. »Hast du vergessen, daß du mir soeben erzählt hast, nachdem du ihn gerettet hättest, sei er in einem Gefährt wie diesem geflohen? Von jenem Wald, der kaum ein Dutzend Meilen außerhalb der Stadtmauer lag, hätte er nach Nessus fliegen und die Leiche, welche in der Kälte der letzten Wintertage frisch geblieben wäre, ausgraben und in weniger als einer Wache zurück sein können. Aber eigentlich hätte er das gar nicht wissen und nicht so rasch handeln müssen. Während du von deiner Gilde eingesperrt wurdest, erfuhr er vielleicht, daß die Chatelaine Thecla, die ihm bis in den Tod treu war, nicht mehr sei. Indem er ihr Fleisch seinen Anhängern vorsetzte, würde er sie noch stärker an sich binden. Es wäre also gar kein weiterer Grund mehr nötig, ihre Leiche zu rauben, und gewiß lagerte er sie in einem eisgefüllten Keller oder in einer der verlassenen Minen, die es in dieser Gegend zur Genüge gibt. Nach deiner Ankunft ließ er sie hervorholen, um dich auf seine Seite zu ziehn.«
    Etwas huschte vorüber – zu schnell, um sichtbar zu sein. Im nächsten Augenblick erbebte der Flieger von der Wucht des Aufpralls. Funken sprühten über den Schirm.
    Ehe der Autarch die Hebel ziehen konnte, hatte es uns zurückgeschleudert. Die nachfolgende Detonation lähmte mich schier, und der widerhallende Himmel tat sich als Blüte gleißenden Feuers auf. Ich habe einen Sperling, den Eatas Schleuderstein getroffen hat, durch die Luft wirbeln und, seitwärts flatternd, fallen sehen, genau wie es uns nun geschehen ist.
     
    Beim Erwachen war alles dunkel; beißender Rauch stieg mir in die Nase, daneben der Duft frischer Erde. Einen Augenblick oder auch eine Wache lang vergaß ich meine Rettung und wähnte mich auf dem Feld, wo Daria und ich gemeinsam mit Guasacht, Erblon

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