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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Hilfe mit.« Er rannte aus dem Haus, um die Frau des Nachbars zu holen. Diese hatte sechs Kinder zur Welt gebracht und würde schon wissen, was bei einer Niederkunft zu tun war. Schon vor Wochen hatte Martha Fauser ihre Hilfe angeboten, und Leonard hatte dankbar angenommen. Doch er wußte, daß es nicht nur praktische Hilfe war, die Barbara und das Kind dringend nötig hatten. Beide brauchten Gottes Beistand, um ihrem Wahnsinn zu entrinnen. Ja, es war Wahnsinn! Was er in den letzten Wochen und Monaten vor allen anderen, aber auch vor sich selbst zu verbergen versucht hatte,offenbarte sich nun kalt und grausam. Barbara war nicht normal im Kopf, ihre Stimmungsschwankungen waren nicht die eines launischen Weibes, sondern die eines kranken, verwirrten Menschen. Abrupt blieb er stehen, legte den Kopf in den Nacken und starrte in den nachtblauen Himmel. Warum Barbara?
    Um ihn herum zirpten die Grillen ihr sorgloses Lied. »Gott im Himmel! Ich flehe dich an, hilf dem Kind, heil auf die Welt zu kommen. Bestraf es nicht für unsere Sünden, sondern laß uns, die wir gesündigt haben, dafür büßen!«

29
    D ie Geburt war schwer und dauerte sehr lange. Martha Fauser hatte in der Mitte der Nacht um Ablösung gebeten. Schließlich war sie seit dem frühen Morgen auf den Beinen und mußte in wenigen Stunden die Morgenmahlzeit für ihre eigene Familie richten. »Bei deinem Weib ist es wie bei einer Erstgebärenden«, hatte sie Leonard erklärt. »Sie will das Kind nicht loslassen. Dabei zerreißt es sie fast vor Schmerzen. Ich hab’ so etwas schon einmal erlebt.« Marthas Gesicht hatte sich verdunkelt. »Damals ist’s nicht gut ausgegangen. Aber gräm dich nicht«, hatte sie nach einem Blick in Leonards Gesicht hastig hinzugefügt. »Deine Barbara ist kräftig, und ihr erstes Kind ist es auch nicht. Nur wird’s noch eine Weile dauern, bis es endlich soweit ist.« Dann hatte sie Leonard nach der Bachtalerin geschickt. Grete Bachtaler war seit einem halben Jahr Witwe. Ihr Mann Karel war im Frühjahr nach langer Krankheit gestorben, seitdem lebte sie allein in der kleinen Hütte am Ende der Gasse. Leonard dankte dem Herrgott für Gretes leichten Schlaf, der sie bei seinem ersten Klopfen an der Tür wach werden ließ. Ohne auch nur eine Frage zu stellen, hatte sie sich hastig Rock und Leibchen übergeworfen. Beim Hinausgehen kehrte sie noch einmal um und kramte in einer Schublade. Mit einem kleinen Fläschchen in der Hand folgte sie Leonard schließlich.
    Martha war schon lange gegangen, und der Mond wichden ersten Lichtstrahlen der Sonne, doch Barbaras Kind machte immer noch keine Anstalten, auf die Welt zu kommen. Ihre Schreie wurden immer unverständlicher, ihre Worte glichen eher den Lauten, die ein verletztes Tier ausstieß. Leonard gähnte und rieb sich die brennenden Augen. Obwohl er seit mehr als dreißig Stunden nicht geschlafen hatte, hätte er jetzt kein Auge zutun können. Josefs Lager hatten sie noch am Abend in den Ladenraum gebracht, wo er seitdem völlig unberührt von allem tief und fest schlief.
    Nachdem die Gebärende ebenfalls in einen erschöpften Schlaf gefallen war, gönnten Leonard und Grete sich eine kurze Verschnaufpause am Eßtisch. Durch den Raum zog der erfrischende Duft des Pfefferminztees, den Grete gekocht hatte.
    Â»Etwas ist nicht in Ordnung mit deinem Weib – was ist es?«
    Leonard schaute auf. Seine Augen waren so rot wie seine Haare. »Ich weiß es nicht.« Er versuchte nicht mehr abzustreiten, daß etwas nicht stimmte. Grete war schließlich nicht dumm und hatte genug gesehen und gehört. Er schaute zu Barbara hinüber. Sie lag ruhig auf ihrem Lager, die Augen geschlossen, als existiere das Kind in ihrem Bauch gar nicht, als wäre das ganze Gerede um die Geburt nur ein böser Spuk gewesen. Doch Leonard’wußte, daß der Frieden nicht lange anhalten würde. Es war nur eine kurze Zeit, um neue Kräfte zu sammeln, und er wäre froh gewesen, nicht reden zu müssen. Aber Grete wartete auf eine Antwort. Leonard schaute auf.
    Â»Sie ist krank. Zuerst hab’ ich geglaubt, sie sei halt ein launisches Weib, wir haben uns ja noch nicht lange gekannt vor der Heirat.« Er erzählte Grete, die erst mit einer späteren Kolonne gekommen war, wie er und Barbara sich nach Peter Gertschs Tod auf dem Schiff nähergekommen waren und die Heirat

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