Die Zuckerbäckerin
beschlossen hatten, um Barbara und demJungen die Einreise nach RuÃland überhaupt zu ermöglichen. Von Barbaras Plan und den unterschlagenen Goldmünzen erzählte er natürlich nichts. Doch er spürte, wie das Reden ihn befreite. Bei Grete war es anders als bei Michael, einem alten Weib gegenüber konnte er seine Ãngste offen zugeben.
»â¦Â und dann ihr Gerede von einem Feuerteufel.« Er lachte hart auf. »Martha hat vorhin gesagt, Barbara sei wie eine Erstgebärende, die das Kind nicht herauslassen wolle. Der letzte Teil stimmt, der erste allerdings nicht! Barbara bildet sich ein, das Kind in ihrem Bauch sei der Leibhaftige selbst â deshalb will sie es nicht zur Welt bringen. So muà es sein, anders kann ich mir ihre verrückten Worte nicht erklären.« Seine Stirn war voller Sorgenfalten. »Was um alles in der Welt soll ich nur tun? Wie kommt sie auf so etwas? Und was, wenn sie recht hat?«
»Jetzt hör aber auf, Leonard Plieninger! Da habâ ich dich bisher für einen vernünftigen Mann gehalten â und jetzt dieses Gerede! Wenn ich als altes, dummes Weib so daherreden würde â¦, aber du!« Sie legte ihre Hand auf seinen Arm. »Du hast dich von deinem Weib anstecken lassen, das ist alles.«
»Aber was hat es mit Barbara auf sich?«
»Das weià der Himmel. Wahrscheinlich ist sie wirklich krank, wie du sagst. Nur ist es ihr Geist und nicht ihr Leib, und das Kind schon gar nicht.« Grete nahm einen Schluck Pfefferminztee. »Woher so etwas kommt, weià ich nicht! Obwohl â manchmal spielt einem das Leben so arg mit, daà es wirklich zum Verrücktwerden ist ⦠Vielleicht vermiÃt sie die alte Heimat so sehr, daà sie darüber den Verstand verloren hat?« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich wüÃtâ nicht, an wen du dich wenden könntest. AuÃer dem alten Doktor Gschwend gibtâs hier ja weit und breit niemanden, der sich um unsere Krankheiten kümmert.«
»Doktor Gschwend!« Leonard spuckte den Namen verächtlich aus. »Was weià der denn schon? Dem würdâ ich nicht mal mein Vieh anvertrauen, wenn ich welches hättâ!«
Grete schwieg für einen kurzen Augenblick. »Ich weiÃ, es wird nicht mehr lange dauern, dann hat er sich sein letztes biÃchen Verstand auch noch weggesoffen. Trotzdem: Als es damals mit meinem Karel zu Ende ging, da war er jeden Tag da, wie schlecht das Wetter auch war! Deshalb möchtâ ich nichts Böses über ihn sagen. Und geholfen hat er ihm auch. Und deiner Barbara könnte er vielleicht auch helfen.«
»Und wie?« Leonard war mehr als skeptisch, doch wollte er die alte Frau, die schlieÃlich ihre Nachtruhe für ihn opferte, nicht verärgern.
»Damit.« Grete Bachtaler hielt das kleine Fläschchen hoch, das sie beim Verlassen ihres Hauses eingesteckt hatte.
»Das ist Opium. Ein starkes Pulver, das die schlimmsten Schmerzen vertreibt.« Ihre Augen wurden glasig. »Meinem Karel hatâs viel Qualen erspart, das weiÃe Zeug hier.«
»Aber Barbara hat doch keine Schmerzen, zumindest sonst nicht.«
Grete seufzte. »Es gibt auch Qualen, die nur im Kopf stattfinden, wie du soeben selbst gesagt hast. Hier hilft Opium, weil es den Kranken beruhigt, ihm Frieden schenkt.«
»Frieden â wie schön das klingt. Das ist es, was Barbara braucht.« Leonard spürte auf einmal ein völlig fremdes Gefühl in sich aufwallen. Nicht mehr die Wut auf Barbara und ihr gemeinsames, unglückliches Leben, nicht mehr Verzweiflung und Angst angesichts ihres täglich schlimmer werdenden Wahnsinns â sondern Mitleid. Die Frau, die ihm in den nächsten Stunden ein Kind gebären sollte, tat ihm leid. Ein Schwall der Erleichterung, warm wie ein Frühlingsregen, überflutete ihn, wusch ihn rein von seinenSünden. Mitleid â damit konnte er leben! Mitleid, das war das Fundament, auf dem er die Zukunft bewältigen wollte.
»Und wie bekommâ ich das Zeug vom Doktor?«
»Das fragst du mich? Ha, mich hatâs damals mein letztes Erspartes gekostet â nicht, daà ich auch nur einen Rubel bereue, o nein! SchlieÃlich warâs für meinen Karel. Aber du â du kannst den Doktor doch gleich in Naturalien bezahlen! Mit Wodka!«
Leonard nickte. Vielleicht war das wirklich eine Möglichkeit, um Barbara zu helfen.
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