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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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für das er sein Liebstes auf der Welt verkauft hatte. Ein Schluchzen stieg aus seiner Kehle. Den Kopf mit seinen Händen gestützt, saß er da, von einem lautlosen Weinen geschüttelt, während es um ihn herum immer dunkler wurde. Er hätte den Laden zuschließen müssen, die Vorhänge vor die Fenster ziehen, um die Abertausende von Mücken abzuhalten. Nach Barbara hätte er suchen müssen, schon viel zu lange war sie weg, und er sollte sich eigentlich Sorgen um sie machen. Vielleicht war ihr unten am Fluß etwas passiert? War sie womöglich auf dem von Mäusen durchgrabenen Boden gestolpert und konnte nicht mehr aufstehen? Dennoch war er unfähig, sich zu erheben. Es kam ihm vor, als wären seine Glieder mit Blei ausgegossen, so schwer und müde fühlte er sich.
    Â»Was hockst du da im Dunkeln wie ein Waldschrat in seiner Höhle?« Barbaras Augen glitzerten wie Flußkristalle in ihrem dunkel gebräunten Gesicht. Leonard zuckte zusammen, als ob er einen Geist gesehen hätte. Er hatte Barbara nicht kommen hören. Hinter ihr kam Josef zur Tür herein, sein Gesicht teilnahmslos und undurchsichtig wie immer.
    Â»Barbara! Wo warst du so lange? Ich habe mir Sorgengemacht. Mußt du im Dunkeln noch draußen herumrennen? Noch dazu in deinem Zustand?« Mit einem Satz stand Leonard auf und räumte die Wodkaflasche und die beiden Becher in den Schrank zurück. Dann beeilte er sich, die beiden anderen Öllampen anzuzünden. Seltsam, bis gerade eben hatte die Dunkelheit ihm nichts ausgemacht. Seit Barbaras Eintreffen aber erschien sie ihm bedrückend, wie etwas, vor dem man flüchten mußte.
    Â»Pah! Was soll mir schon geschehen? Ich kann gut auf mich selbst aufpassen, das hab’ ich schließlich schon ein Leben lang getan.« Sie ging nach hinten in den Wohnraum. Leonard und Josef folgten ihr. Nachdem Barbara einen Laib Brot, Schinkenspeck und kleine, scharfe Rettiche auf den Tisch gestellt hatte, begannen sie mit ihrem Nachtmahl. Plötzlich kam sich Leonard mit seinem Gerede über Barbaras angeblich seltsames Verhalten komisch vor. Vielleicht war er derjenige, der etwas seltsam war. Kein Wunder, daß Michael nicht so recht gewußt hatte, was er antworten sollte. Auf einmal merkte Leonard, wie hungrig er war, und schnitt sich eine weitere Scheibe Brot und Speck ab. Barbara erzählte ihm von der wilden Verfolgungsjagd, die Bauer Hergenröder wegen seiner ausgebrochenen Ochsen veranstaltet hatte. Leonard hatte die Geschichte bereits im Laufe des Tages von mindestens drei anderen Augenzeugen gehört. Nun aber tat er so, als höre er alles zum ersten Mal, und lachte laut. Es kam so selten vor, daß Barbara Anteil nahm am Geschehen im Dorf. Genüßlich kauend saß er da. Erst nach einer Weile bemerkte er, daß Barbara zu essen aufgehört hatte. Ihre Augen waren plötzlich starr auf die Öllampe gerichtet. Die flackernde Flamme spiegelte sich in ihren dunklen Pupillen wider. Unwillkürlich verkrampften sich Leonards Oberarme, als gelte es, eine nahende Bedrohung abwenden.
    Â»Da! In der Flamme! Das Kind, ein Flammenteufel!«Von einer Sekunde zur anderen brach sie in ein unkontrolliertes Heulen aus und wiegte ihren geschwollenen Leib hin und her.
    Leonard wollte zu ihr hinübergehen, sie tröstend in den Arm nehmen, beruhigen wie ein Kind. Statt dessen kam die Bleischwere von vorher zurück, und er blieb sitzen.
    Â»Unser Kind wird ein Flammenteufel werden! Ich kann machen, was ich will. Die vielen Bäder unten am Fluß – alles umsonst! Ich weiß es, ich spür’s! Verbrennen werden wir, alle verbrennen …« Ihr Schrei zerriß die drückende Schwüle des Raumes und ging Leonard durch Mark und Bein. Selbst Josef schaute mit weit aufgerissenen Augen auf seine Mutter.
    Barbara stöhnte laut. »Es kommt! Der Teufel kommt, er will raus auf die Welt, sein Unwerk tun! Herr im Himmel, ich kann ihn nicht mehr zurückhalten!« Sie packte Leonards Hände so fest, daß seine Gelenke krachten. »Geh und hol Peter! Peter Gertsch ist der einzige, der dem Teufel die Stirn bieten kann. Er …« Ihre nächsten Worte gingen in einem weiteren Schrei unter.
    Aufgeregt versuchte Leonard, sich aus Barbaras Umklammerung zu befreien. »Paß du auf deine Mutter auf«, herrschte er Josef an. Dann beugte er sich zu Barbara hinab. »Ich komme gleich zurück und bringe

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