Die Zuckerbäckerin
für das er sein Liebstes auf der Welt verkauft hatte. Ein Schluchzen stieg aus seiner Kehle. Den Kopf mit seinen Händen gestützt, saà er da, von einem lautlosen Weinen geschüttelt, während es um ihn herum immer dunkler wurde. Er hätte den Laden zuschlieÃen müssen, die Vorhänge vor die Fenster ziehen, um die Abertausende von Mücken abzuhalten. Nach Barbara hätte er suchen müssen, schon viel zu lange war sie weg, und er sollte sich eigentlich Sorgen um sie machen. Vielleicht war ihr unten am Fluà etwas passiert? War sie womöglich auf dem von Mäusen durchgrabenen Boden gestolpert und konnte nicht mehr aufstehen? Dennoch war er unfähig, sich zu erheben. Es kam ihm vor, als wären seine Glieder mit Blei ausgegossen, so schwer und müde fühlte er sich.
»Was hockst du da im Dunkeln wie ein Waldschrat in seiner Höhle?« Barbaras Augen glitzerten wie FluÃkristalle in ihrem dunkel gebräunten Gesicht. Leonard zuckte zusammen, als ob er einen Geist gesehen hätte. Er hatte Barbara nicht kommen hören. Hinter ihr kam Josef zur Tür herein, sein Gesicht teilnahmslos und undurchsichtig wie immer.
»Barbara! Wo warst du so lange? Ich habe mir Sorgengemacht. MuÃt du im Dunkeln noch drauÃen herumrennen? Noch dazu in deinem Zustand?« Mit einem Satz stand Leonard auf und räumte die Wodkaflasche und die beiden Becher in den Schrank zurück. Dann beeilte er sich, die beiden anderen Ãllampen anzuzünden. Seltsam, bis gerade eben hatte die Dunkelheit ihm nichts ausgemacht. Seit Barbaras Eintreffen aber erschien sie ihm bedrückend, wie etwas, vor dem man flüchten muÃte.
»Pah! Was soll mir schon geschehen? Ich kann gut auf mich selbst aufpassen, das habâ ich schlieÃlich schon ein Leben lang getan.« Sie ging nach hinten in den Wohnraum. Leonard und Josef folgten ihr. Nachdem Barbara einen Laib Brot, Schinkenspeck und kleine, scharfe Rettiche auf den Tisch gestellt hatte, begannen sie mit ihrem Nachtmahl. Plötzlich kam sich Leonard mit seinem Gerede über Barbaras angeblich seltsames Verhalten komisch vor. Vielleicht war er derjenige, der etwas seltsam war. Kein Wunder, daà Michael nicht so recht gewuÃt hatte, was er antworten sollte. Auf einmal merkte Leonard, wie hungrig er war, und schnitt sich eine weitere Scheibe Brot und Speck ab. Barbara erzählte ihm von der wilden Verfolgungsjagd, die Bauer Hergenröder wegen seiner ausgebrochenen Ochsen veranstaltet hatte. Leonard hatte die Geschichte bereits im Laufe des Tages von mindestens drei anderen Augenzeugen gehört. Nun aber tat er so, als höre er alles zum ersten Mal, und lachte laut. Es kam so selten vor, daà Barbara Anteil nahm am Geschehen im Dorf. GenüÃlich kauend saà er da. Erst nach einer Weile bemerkte er, daà Barbara zu essen aufgehört hatte. Ihre Augen waren plötzlich starr auf die Ãllampe gerichtet. Die flackernde Flamme spiegelte sich in ihren dunklen Pupillen wider. Unwillkürlich verkrampften sich Leonards Oberarme, als gelte es, eine nahende Bedrohung abwenden.
»Da! In der Flamme! Das Kind, ein Flammenteufel!«Von einer Sekunde zur anderen brach sie in ein unkontrolliertes Heulen aus und wiegte ihren geschwollenen Leib hin und her.
Leonard wollte zu ihr hinübergehen, sie tröstend in den Arm nehmen, beruhigen wie ein Kind. Statt dessen kam die Bleischwere von vorher zurück, und er blieb sitzen.
»Unser Kind wird ein Flammenteufel werden! Ich kann machen, was ich will. Die vielen Bäder unten am Fluàâ alles umsonst! Ich weià es, ich spürâs! Verbrennen werden wir, alle verbrennen â¦Â« Ihr Schrei zerrià die drückende Schwüle des Raumes und ging Leonard durch Mark und Bein. Selbst Josef schaute mit weit aufgerissenen Augen auf seine Mutter.
Barbara stöhnte laut. »Es kommt! Der Teufel kommt, er will raus auf die Welt, sein Unwerk tun! Herr im Himmel, ich kann ihn nicht mehr zurückhalten!« Sie packte Leonards Hände so fest, daà seine Gelenke krachten. »Geh und hol Peter! Peter Gertsch ist der einzige, der dem Teufel die Stirn bieten kann. Er â¦Â« Ihre nächsten Worte gingen in einem weiteren Schrei unter.
Aufgeregt versuchte Leonard, sich aus Barbaras Umklammerung zu befreien. »Paà du auf deine Mutter auf«, herrschte er Josef an. Dann beugte er sich zu Barbara hinab. »Ich komme gleich zurück und bringe
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