Die Zuckerbäckerin
mindestens drei Männer am Kopf traf. Sie war es, die den unangenehm kräftigen Veilchengeruch ausströmte. »Lorchen! Was machst denn du hier?« Ihre schrille Stimme stand in einem seltsamen Kontrast zu ihrer Erscheinung: Das über und über mit kleinen, seidenen Röschen verzierte Kleid und derin der gleichen Art herausgeputzte Schirm verrieten, daà keine Kosten gescheut wurden, um diesen Traum herzustellen.
»Das gleiche könnte ich dich auch fragen.« Eleonore spürte regelrecht, wie ihr der Mund vor Erstaunen offenstand. Sie konnte es einfach nicht fassen.
Statt einer Antwort zog Sonia ihre Mundwinkel kapriziös nach unten und begann, ihren Sonnenschirm zu drehen, was ihr ärgerliche Zurufe der Umstehenden einbrachte. Ungerührt machte sie weiter.
»Und wie siehst du eigentlich aus!« Als wolle sie sich vergewissern, daà es wirklich ihre Schwester in Fleisch und Blut war, zupfte Eleonore an Sonias Ãrmel.
»Au, du tust mir weh!« Mit einem Ruck entwand Sonia Eleonore ihren Arm und zog sie undamenhaft hastig zur Seite. »Gefallâ ich dir nicht?« Kokett drehte sie sich vor ihrer Schwester hin und her und hob dabei ihren Rock so weit an, daà ihre seidenen, im gleichen Blau eingefärbten Schuhe sichtbar wurden.
»Was hast du angestellt? Wo hast du diese Kleider her? Sonia!«
»Schsch! Schrei nicht herum wie eine dumme Gans!« Eine ärgerliche Falte zeigte sich auf Sonias Stirn. War das nicht wieder einmal bezeichnend für Lorchen? Sie seufzte. »Gekauft habe ich das Kleid, ganz einfach. Dieses und andere auch«, konnte sie sich nicht verkneifen hinzuzufügen.
»Und wo hast du das Geld dafür her? Verdient man als Putzmagd im Theater so viel?«
»Pah! Putzmagd bin ich schon längst nicht mehr! Heute weià man meine Fähigkeiten sehr wohl zu schätzen. Und zu bezahlen!« Wieder folgte ein koketter Augenaufschlag.
»Und welche Fähigkeiten wären das, wenn ich fragen darf?«
»Nun, du würdest staunen, wenn ich alles aufzuzählenbegänne.« Sonia lachte schrill. »Aber wollen wir nicht hören, was unser geliebter König zu sagen hat? Fiel nicht gerade das Wort RuÃland in seiner Rede?«
Verwirrt blickte Eleonore nach vorne zum Königspodest. Warum durchlief sie bei Sonias Worten ein heiÃkalter Schauer?
»â¦Â ist dieser heutige Tag ein Freudentag für uns alle. Unsere Bauern haben groÃen Anteil daran, daà der Hunger nicht mehr ständiger Gast in unserem Lande ist. Und so möchte ich ihnen Dank sagen! Ein dreifaches Hurra auf unsere Bauern!« Wilhelm hielt inne und wartete, bis die Jubelrufe der Menge abgeebbt waren.
Eleonore blickte miÃtrauisch zu Sonia hinüber, die heftig Beifall klatschte. Was sollte dieses Ablenkungsmanöver? Als ob Sonia die Worte des Königs interessiert hätten!
»In unserer Freude über die gute Ernte dürfen wir jedoch diejenigen nicht vergessen, denen es nicht so gut erging. Wir alle erinnern uns: Viele unserer Landsleute haben in der gröÃten Not ihr Heil in einer Auswanderung nach RuÃland gesucht.«
Leonard! Was wuÃte der König von ihm und den anderen? Und warum klang er fast ärgerlich bei seinen Worten?
»Nicht für alle Württemberger war RuÃland das gelobte Land, in dem Milch und Honig floÃ. Viele konnten die Sehnsucht nach der alten Heimat nicht überwinden. Und so kommt es, daà ein Teil der Auswanderer nun zu Einwanderern geworden sind: in unser geliebtes Württemberg!« Der König schaute in die Runde. Skeptische Blicke überall: Was wollten die Leute hier? Würden sie ihnen womöglich etwas wegnehmen wollen? Land? Brot? Das Johlen der Kinder, die sich am anderen Ende des Festplatzes vergnügten, schallte herüber, so still war plötzlich die versammelte Menge.
Wilhelm winkte Katharina, die einen Schritt hinter ihm stand, zu sich heran. »Meine geliebte Gattin und ich haben uns entschlossen, diesen Menschen wieder eine Heimat zu geben, in der sie erneut ihr Glück suchen können.« Seine Stimme nahm einen hochoffiziellen und zugleich gnädigen Ton an. »Noch in der nächsten Woche werden wir ein Programm für RuÃlandrückkehrer bekanntgeben, welches vorsieht, diese in bevölkerungsarmen Landstrichen anzusiedeln.«
Die Menschen schauten sich an: Jeder wuÃte, was das bedeutete. Dort, wo der Boden am kärgsten, die Winter
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