Die Zuckerbäckerin
am kältesten, die Sommer am trockensten im ganzen Lande waren â dort sollte die neue Heimat der Rückkehrer sein. Keiner beneidete sie, doch gleichzeitig stand den Bauern die Erleichterung ins Gesicht geschrieben: Wenigstens würden sie ihnen nicht zur Last fallen!
Eleonore hatte das Gefühl, als krabbelten Tausende von Ameisen über ihr Herz. Was bedeuteten die Worte des Königs für sie? Würde Leonard womöglich auch zurückkommen? Sie klammerte sich an diesen Hoffnungsschimmer und schalt sich gleichzeitig dafür. Warum konnte sie Leonard nicht einfach vergessen? So, wie er sie vergessen hatte? Und auÃerdem, glaubte sie ernsthaft, Leonard würde zurückkommen? Nein, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, das würde er auch erreichen, ob in RuÃland oder anderswo! Sie erinnerte sich noch so gut an seine glühenden Reden: daà er etwas aus sich und seinem Leben machen wolle. Daà er mehr erreichen wolle, als ewig ein Holzträger im Stuttgarter Schloà zu bleiben. Damals hatte Eleonore seine Worte nicht verstanden. Mehr aus seinem Leben zu machen â was bedeutete das? Sie wuÃte noch genau, wie verärgert sie damals gewesen war. Wollte Leonard sagen, sie lebten nur faul in den Tag hinein? War nicht alles gottgegeben? Leonard hörte sich fast schon so an, als habe man alskleiner Mensch die Möglichkeit, sein Leben zu wählen! Gut, das mochte für die feinen Herrschaften in den besseren Ständen vielleicht gelten, aber doch nicht für sie â die einfachen Leute!
Doch jetzt fiel Eleonore eine Wahrheit wie Schuppen von den Augen: Heute wuÃte sie es besser! Sie vergaà alles um sich herum, hörte weder den König, noch beachtete sie Sonia. Ein süÃes Glücksgefühl, wie nach einem besonders gelungenen Kuchen, nur tausendmal stärker, überflutete sie. Heute verstand sie, wovon Leonard gesprochen hatte! Auch ihr reichte es nicht mehr, einfach in den Tag hineinzuleben. Auch sie wollte sich bessern, dazulernen, mehr verstehen von der Welt, mochte sie auch ein noch so kleines Rädchen sein! Sie lachte auf. Wie gerne hätte sie Leonard das erzählt! Er würde â¦
»Ausgerechnet hier steckst du! Da suchâ ich den halben Platz nach dir ab, und hier am Rednerpodest finde ich dich! Und wen haben wir denn da?« Johanns Worte kamen langsamer als sonst, was wahrscheinlich an dem starken Bier lag, das er reichlich genossen hatte.
Obwohl sie selbst bei Sonias Anblick vor Erstaunen fast in Ohnmacht gefallen wäre, hätte sie Johann vor lauter Wut über sein unverhohlenes Gaffen und seine bewundernden Blicke am liebsten geohrfeigt. Hölzern entwand sie sich seiner besitzergreifenden Umarmung. »Sonia wirst du ja wohl noch kennen, oder? Jetzt hast du die ganze Rede des Königs verpaÃt! Und das nur wegen ein paar Krügen Bier!«
Johann lachte unbekümmert auf. »Ein Fest ist zum Feiern da, oder täusche ich mich etwa?« Herausfordernd blickte er die beiden Schwestern an. Während Sonia ihm kokett zublinzelte, verzog Eleonore säuerlich ihren Mund. Er packte sie am Arm und faÃte Sonia vorsichtig unter den Ellenbogen. »LaÃt uns feiern! Morgen ist schlieÃlich alles vorbei!«
Bewundernde Blicke begleiteten das ungleiche Trio über den Festplatz. Kaum einer der Bauern hatte solch ein breites Kreuz wie Johann oder seine muskulösen Oberarme. Neben ihm erschienen die beiden dunkelhaarigen Schönheiten, die eine schlicht und einfach, die andere pompös gekleidet, zierlich wie die feinsten Edelfräulein. Und wie begehrenswert! Mit geschwellter Brust versuchte Johann einen Scherz nach dem anderen, doch lediglich Sonia antwortete ihm mit einem Kichern. Eleonores Gesicht glich dem einer steinernen Statue. Hatte Johann nicht immer wieder seine Abneigung gegenüber Sonia kundgetan? Sich über ihr flatterhaftes Wesen, ihre angebliche Falschheit beklagt? Und jetzt?
Wie hatte sie sich auch nur für einen Augenblick einbilden können, Johann könne jemals Leonards Platz in ihrem Herzen einnehmen? Sofort schoà ihr vor lauter Undank die Röte ins Gesicht. War Johann nicht immer für sie dagewesen? Hatte sie in den letzten Monaten nicht mit jeder Frage zu ihm kommen können? Dennoch, er mochte ein netter Kerl sein, aber er war einfach nicht Leonard.
Sie schloà für einen Moment die Augen, als könne sie so vor dieser neuen Wahrheit davonlaufen.
Es
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