Die Zuckerbäckerin
aufgebaute Tanzfläche. Nachdem sie hastig den gezuckerten Apfel gegessen hatte, trat sie an einen der Bratwurststände und kaufte sich eine knusprige Wurst, auf die der Verkäufer eine ordentliche Menge Senf tat. Wie gut, daà sie daran gedacht hatte, ein paar Kreuzer einzustecken, sonst wäre sie Johann wirklich auf Gedeih und Verderb ausgeliefert gewesen! Vergnügt lief sie über den Festplatz und genoà dabei die deftige Leckerei. Die ausgestellten Pflüge interessierten sie weniger, auch die anderen Geräte nicht, sie wuÃte nicht einmal, wofür man diese überhaupt brauchte. Sie lachte herzhaft, als sie den Kindern beim Sackhüpfen zusah, und bewunderte die Behendigkeit der jungen Burschen, die wie Katzen den hohen Mast erkletterten, um die oben aufgehängten Brezeln abzuschneiden und den Herzallerliebsten zu bringen. Leonard wäre auch für mich hinaufgeklettert, schoà es ihr durch den Kopf. Er hätte jede Ecke des Festplatzes mit ihr erkundet und hätte nicht nur mit einem Bier in der Hand dagesessen wie ein Ochs vor dem Futtertrog! Doch dann verbot sie sich jeden weiterenGedanken an ihn. Viel zu oft noch muÃte sie an Leonard denken, und das, obwohl er sie so schändlich im Stich gelassen hatte! Kein Lebenszeichen mehr seit vielen Monaten. Sie rechnete jetzt nicht mehr damit, jemals wieder von ihm zu hören, aber konnte man es wissen? Vielleicht â¦
Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Menge und rià Eleonore aus ihrem Trübsinn, der so gar nicht hierherpaÃte. Sie schaute auf und glaubte, ihren Augen nicht zu trauen: Eine riesige Pferdeherde, so edel und fein, wie sie noch keine gesehen hatte, wurde gerade von einem Dutzend Reitern auf die Rennbahn getrieben. Die Mähnen loderten im Wind wie seidene Fahnen. Es waren viele Schimmel darunter, ebenso viele Braune und Rappen, nur Füchse sah man wenige.
Eleonore spürte den trockenen Boden unter ihren FüÃen erzittern, und es lief ihr kalt über den Rücken. Diese Schönheit! Diese Anmut! Wer immer diese Pferde sein eigen nennen konnte, muÃte ein glücklicher Mensch sein.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!« Vor den Augen des versammelten Volkes küÃte Katharina Wilhelm auf die Wange.
Sprachlos angesichts der hochblütigen Araberpferde, deren Anwesenheit die Cannstatter Rennbahn in eine völlig andere Welt verwandelte, lieà er Katharinas Kuà zu.
»Mögen die Pferde der württembergischen Zucht neues Blut verleihen, auf daà es bald überall heiÃen mag: Kein Roà ist so edel wie eines aus Schwaben!« Mit diesen Worten küÃte Katharina Wilhelms andere Wange.
»Wie? Woher? Wer â¦Â« Immer noch war sein Gesicht ein einziger Ausdruck an Ungläubigkeit. Sicher hatte er gute Pferde im Stall, schlieÃlich war deren Zucht eine der gröÃten Leidenschaften seines Vaters gewesen. Und doch war der Bestand an herausragenden Rössern inwürttembergischen Ställen in den letzten Jahren immer weniger geworden. Wie hätte es angesichts soviel schwerwiegenderer Probleme und Nöte auch anders sein können? Im Geist konnte er schon die Nachzucht aus diesen hochblütigen Pferden, gepaart mit ruhigerem, württembergischen Blut, vor sich sehen: Reitpferde, so kräftig wie edel, so rittig wie sturmvoll, so â¦
Ein sanfter Druck an seinem Arm rià ihn aus seiner Traumwelt. Ein Blick in Katharinas dunkle Augen, in deren Tiefe viele der wichtigsten Männer Europas nur allzu gerne ertrunken wären, durchflutete ihn mit Scham. Wieso erging es ihm nicht wie den anderen? Nur mit Mühe gelang es Wilhelm, nach einem Räuspern mit seiner Ansprache zu beginnen. Erst nach einigen Sätzen hatte er sich warmgeredet, gelang es ihm, die Aufmerksamkeit der Zuhörer zu fesseln.
Ein wenig abseits von der Königstribüne, am Rande der Rennbahn, hatte Eleonore sich aufgestellt. Zu gerne wäre sie weiter nach vorne gegangen, um einen besseren Blick auf Katharina zu erhaschen, doch allein traute sie sich das nicht. Immer wieder warf sie einen Blick über ihre Schulter, um keinesfalls Johann zu verpassen, falls dieser sich doch noch bequemte, herüberzukommen. Plötzlich hatte sie einen atemberaubenden Duft nach Veilchen in der Nase und muÃte niesen.
Das konnte doch nicht wahr sein! »Sonia?«
Die in dunkelblaue Rüschen gekleidete Dame drehte sich zu ihr um, wobei sie mit ihrem Sonnenschirm
Weitere Kostenlose Bücher