Die Zuckerbäckerin
daà sie den alten, ungewaschenen Lüstling je zurückhaben wollte!
Von den anderen Ensemblemitgliedern, die wie sie einfache Nebenrollen spielten, hatte Sonia von Anfang an nicht viel wissen wollen. Jetzt bereute sie, zu dem einen oder anderen besonders schnippisch gewesen zu sein. Sie wuÃte, daà für den Jahreswechsel in einer der nahegelegenen Weinstuben ein groÃes Fest geplant war. Das hatte sie aus dem aufgeregten Getuschel um sie herum herausgehört. Sie selbst war jedoch weder eingeladen worden, noch hatte man sie um ihre Mithilfe gebeten. Entgegen ihrer sonstigen Art, aus jeder Lage das Beste für sich herauszuholen, hätte sie sich nun lieber die Zunge abgebissen, als wegen einer Einladung bei den anderen für schönes Wetter zu sorgen! Dazu hatte sie den Kopf viel zu voll mit anderen Dingen. Da war zum einen Melias abweisendes Verhalten. Sie schien sich wirklich nichts mehr aus Sonias Drohungen zu machen. Wie mochte das sein? Nahm Melia die Gefahr, daà ihre Liebschaft mit dem König bekannt wurde, wirklich so auf die leichte Schulter? Das konnte und wollte Sonia einfach nicht glauben. Doch bisher hatte sie keine Gelegenheit gehabt, ihre Drohungen zu wiederholen und dadurch herauszufinden, wie weit es mit Melias Sorglosigkeit her war. Stand die Hofschauspielerin nicht auf der Bühne, war sie entweder von Bewunderern umringt oder auf dem Weg zueiner der vielen Festlichkeiten, für die Stuttgarts Wintersaison berühmt war.
Gedankenverloren griff Sonia in das kleine Körbchen mit Konfekt, das auf dem Tisch neben ihrem Bett stand. Ein Geschenk von Eleonore, das sie ihr allerdings schon vor einigen Wochen überreicht hatte. Während der Feiertage und des Jahreswechsels hätte sie keine Zeit für einen Besuch, hatte sie Sonia erklärt. Keine Zeit, pah! Es geschah Eleonore recht, daà sie schuften muÃte wie ein Ochse. Da hatte sie, Sonia, es doch viel besser. Sie würde den Jahreswechsel eben alleine feiern! Und zum Feiern hatte sie doch allen Grund, oder?
Sie schaute sich in ihrer Kammer um und versuchte, wieder die gleiche Begeisterung zu verspüren, die sie beim Einzug gehabt hatte. Ein so groÃes Zimmer für sich allein! Columbina hätte Augen gemacht, wenn sie gewuÃt hätte, wie gut es ihre Töchter getroffen hatten. Zumindest eine ihrer Töchter ⦠Ob sie mit Eleonores Wahl, sich freiwillig Tag und Nacht abzuschinden, einverstanden gewesen wäre, bezweifelte Sonia.
Warum war sie dann so unzufrieden? Warum konnte sie sich nicht einfach in ihrem Bett mit der weichen Federdecke zurücklehnen und darauf warten, was das neue Jahr ihr bringen würde?
Gerade als sie die Augen schlieÃen wollte, hörte sie es: ein leises Knacken vor ihrer Tür. Sofort saà sie aufrecht und hielt die Luft an. Wer trieb sich da drauÃen herum? Wer versuchte mit aller Mühe, keinen Lärm zu machen, nicht gehört zu werden? Plötzlich war wieder diese seltsame Beklemmung da, die sie in den letzten Wochen des öfteren gespürt hatte. So verrückt es sich auch anhören mochte: Jemand verfolgte sie. Jemand hatte es auf ihr Wohlergehen abgesehen.
Auf Zehenspitzen stieg sie aus dem Bett und lief zur Tür,um zu lauschen. Wer war da drauÃen? Handelte es sich um den gleichen Mann, der sie schon mehrmals bei ihren Gängen durch die Nachbarschaft verfolgt hatte? So wie auch gestern?
Sie hatte die Hoffnung auf eine Einladung in der letzten Minute noch nicht aufgegeben und war deshalb zu dem Putzmachergeschäft einige StraÃen weiter gegangen, um neue Bänder für ihr Haar zu kaufen. Zuerst war sie so tief in Gedanken versunken gewesen, daà ihr der untersetzte Mann gar nicht auffiel. Erst als sie nach einiger Zeit wieder aus dem Geschäft trat, nahm sie ihn wahr. Den hatte sie doch vorher schon vor dem Theater gesehen! Ein seltsamer Zufall? Auf dem Rückweg sah sie immer wieder vorsichtig über die Schulter nach hinten â stets war er da, keine fünf Schritte von ihr entfernt. Warnglocken schlugen auf einmal laut und aufdringlich in ihren Ohren. Hier war einer, der es auf sie abgesehen hatte!
Auf dem Gang war es jetzt totenstill. Sonia starrte auf den Schlüssel im Schloà und versuchte sich zu erinnern, in welcher Stellung die Tür damit abgeschlossen war und in welcher offen. Den Schlüssel einfach umzudrehen wagte sie nicht. War der Mann wirklich drauÃen, würde ihm das Geräusch
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