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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Schule besucht haben. Die Korbmacherei …« Bedeutungsvoll ließ sie die letzten Worte in der Luft hängen.
    Eleonore warf ihr einen scharfen Blick zu.
    Katharina winkte ab. »Ob ihr beiden in der Schule wart oder nicht, ist für mich völlig bedeutungslos. Wenn ich das Gespräch mit Gelehrten wünsche, stehen mir genügend der Herrschaften gerne zur Verfügung. Also, bitte keine falsche Scheu. Redet!« Ungeduldig blickte sie die beiden an.
    Â»Nun, mit der Armut ist es so eine Sach’«, begann Eleonore ohne viel nachzudenken. Sie glaubte zwar nicht daran, daß sie der Königin in irgendeiner Art helfen konnte, aber sie wollte es zumindest versuchen. Es fiel ihr nicht schwer, die Zeit mit Columbina in sich wachwerden zu lassen.
    Â»Wenn man einmal arm ist, kommt man einfach nicht mehr davon los. Es ist, als ob die Armut wie Pech an einem klebt.« Sie versuchte, Sonias bohrende Blicke zu ignorieren und sprach weiter: »Wenn man keine Arbeit hat, hat man kein Geld – so einfach ist das. Wenn man kein Geld hat, wirft einen der Wirt aus der Kammer. Und so landet man auf der Straße. Da ist es egal, ob einer vier Kinder hat oder fünf. Wenn er nicht zahlen kann, wird er aus seiner Hütte geworfen. So sind schon viele auf die Straße gekommen.« Sie mußte an die vielen traurigen Geschichten denken, die sich die Vaganten nachts am Lagerfeuer erzählten. »Oft ist es auch so, daß der Mann keine Arbeit mehr findet, weil er krank ist und nicht mehr richtig schaffen kann. Dann schämt er sich, und seine Frau schämt sich auch, und sie tun so, als wäre alles in Ordnung, damit keiner was merkt. Dann gibt’s für einige Zeit nur trockenes Brot zu essen und dann immer weniger Brot, und auf einmal ist gar nichts mehr auf dem Tisch. Dann fangen die Kinder an zu heulen und zu schreien vor lauter Hunger. Und die Frau bindet sich ein Tuch um den Kopf und geht hinaus zum Betteln. Weil sie das Elend der Kinder nicht mehr mit anhören kann. Dabei schämt sie sich so.« Ihre Stimme wurde immer leiser, als sie an die vielen Bettlerinnen denken mußte, die an jeder Ecke verstohlene Hände ausstreckten. Das Betteln hatte Columbina immer als unehrenhaft verabscheut. Einem Mann den Geldbeutel aus dem Sack zu greifen war hingegen in ihren Augen ein Handwerk wie jedes andere.
    Â»So ist es«, stimmte Sonia zu. »Die Kinder sind arm dran.« Dann schwieg sie wieder.
    Eleonore nahm den Faden erneut auf, als hätte es keine Unterbrechung von Sonia gegeben. »Ein ewiger Kreis ist das. So wie die Kinder es bei den Eltern sehen, so machen sie es später auch. Stiehlt der Vater, um seine Familie sattzukriegen, werden auch seine Söhne stehlen.« Mit Absicht sprach sie von Söhnen und nicht von Töchtern. »Bettelt die Mutter, dann werden es ihr die Kinder gleichtun.«
    Eleonore zuckte resigniert mit den Schultern und schaute der Königin ins Gesicht. Sie lauschte mit gespannter Miene ihren Erzählungen. Wäre diese Frau nicht gewesen, säßen sie heute wahrscheinlich im Gefängnis auf dem Hohenasperg. Nie, niemals im ganzen Leben, wären sie etwas anderes als Räuberinnen gewesen, wären als solche gestorben wie Columbina auch. Zum zweiten Mal an diesem Tag verspürte sie ein so heftiges Gefühl in sich, daß sie glaubte, ihr Herz werde daran zerbersten. Und sie wußte: Für Katharina von Rußland hätte sie ihr Leben gegeben.
    Â»Und wenn die Menschen arm sind, werden sie krank. Sie frieren, beginnen zu husten, werden immer schwächer, und schließlich sterben sie.« Wie Columbina, ging es ihr durch den Kopf, aber das konnte sie natürlich nicht erzählen. Sie zuckte erneut mit den Schultern. »Wahrscheinlich ist das alles unwichtig. Wie soll mein Gerede Euch helfen?«
    Â»Vielleicht hast du mir mehr geholfen, als du dir vorstellen kannst …«, meinte Katharina sinnend. »Es gilt, den Kreis zu durchbrechen …« Sie war aufgestanden und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. Sonia schubste Eleonore grob in die Seite, als wolle sie ihr weitere, der Königin hilfreiche Worte abringen. Doch Eleonore hatte gesagt, was ihr dazu eingefallen war. Mehr gab es nicht.
    Da erklang Sonias rauchige Stimme: »Wenn die Menschen arm sind und nichts zu essen haben, werden sie zu Diebstählen gezwungen, wenn sie nicht verhungernwollen.« Erwartungsvoll schaute sie Katharina an,

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