Die Zuckerbäckerin
Eleonore eine stumpfe Holznadel. »Unsere Kartoffeln brauchen noch ein paar Augen. Schau«, sie nahm selbst eine Nadel in die Hand und drückte damit sanft ein paar Dellen in eine Marzipankugel, »erst jetzt werden richtige Kartoffeln draus!« Befriedigt musterte sie das Stück und lieà es dann in ihrem Mund verschwinden. »Schmecken besser als die Brombeeren vom Acker! Da, probier auch eine!«
GenüÃlich lieà Eleonore die süÃe Masse auf ihrer Zunge zergehen, wobei sie versuchte, diese so spät wie möglich herunterzuschlucken. Dabei vermischte sich der bittere Geschmack des Kakaos mit der kräftigen SüÃe des Marzipans zu einem so unwiderstehlichen Gemisch, daà sie genieÃerisch die Augen schloÃ.
»Na, schmeckt das nicht süÃer als jeder Kuàâ selbst wenn er von einem Rothaarigen kommt?« Lili hielt ihr groÃzügig eine zweite Kugel hin.
»Was weiÃt denn du von den Küssen eines Rothaarigen?« Beim Gedanken an ihre nächtlichen Treffen mit Leonard wurde Eleonore ganz heiÃ. Die Röte schoà in ihre Wangen. Um abzulenken, fragte sie: »Sag einmal, Lili, woher kennst du eigentlich die vielen köstlichen Rezepte? Wie wird man eine Zuckerbäckerin?«
»Ha! Das ist ganz einfach: Meine Mutter war Zuckerbäckerin, mein Vater Koch, und sein Vater war ebenfalls schon Koch gewesen. Das ist in unserer Familie einfachTradition. Von klein auf gab es bei uns kein anderes Gespräch als Rezepte und Küchentratsch!«
»Aber du als Weib? Die meisten Köche sind doch Männer.«
Lili lachte. »Wir Hofstätter-Weiber haben uns halt schon immer durchzubeiÃen gewuÃt! Und irgendwann scheinen die feinen Herren Köche gemerkt zu haben, daà auch ein Weib einen Pudding zu rühren weiÃ. Meine Mutter â die haben sie sogar schon einmal an den bayerischen Hof gerufen. Dort sollte sie dem Zuckerbäcker die Kunst des Zuckerspinnens beibringen. Ich glaubâ, so gut wie meine Mutter selig hat das keiner beherrscht â¦Â«
»Die Kunst des Zuckerspinnens? Was ist denn das schon wieder?«
»Das kannst du nicht kennen, Lorchen. Hier in Stuttgart wird kein groÃer Wert auf solche kunstvollen Verzierungen gelegt. So kam ich bisher noch nicht in die Verlegenheit, mich darin üben zu müssen. Und dem Himmel sei Dank, kann ich dazu nur sagen! Denn aus hauchdünnen Zuckerfäden meterhohe Gebilde zu blasen, den Zucker dazu zu bringen, genau die Form anzunehmen, die du dir für ihn ausgedacht hast, ist wirklich eine Kunst! Die zudem sehr viel Zeit und Geduld kostet, also nichts für mich! Hier, die Marzipankartoffel sieht eher aus wie ein faules Ei. Willst du sie noch?«
Gerade als Eleonore sich die SüÃigkeit in den Mund steckte, erschien Sonia im Türrahmen. »Ach, hier steckst du also! Da kann ich ja lange das ganze Schloà nach dir absuchen!«
SchuldbewuÃt schluckte Eleonore den Rest der Marzipankartoffel herunter. Auf einmal war die süÃe Stille des Nachmittags vorbei.
Die Zuckerbäckerin drehte sich weg und machte sich geschäftig daran, die SüÃigkeiten in bereitstehendeBonbonnieren umzufüllen. Sie richtete kein Wort an Eleonores Schwester.
»Los, komm. Ich muà mit dir reden.« Ohne Lili zu begrüÃen, packte Sonia ihre Schwester am Arm und zog sie hinter sich her.
»Was ist denn? Warum kannst du mir nicht hier sagen, was du zu sagen hast?« Eleonores Zunge war pelzig belegt, ihr Speichel schmeckte bitter und brannte beim Herunterschlucken. Ein dunkles, ungutes Gefühl breitete sich in ihr aus. So stolperte sie einfach hinter Sonia her, bis diese vor einer Kellertür haltmachte.
»Ich brauchâ deine Hilfe.« Sonias Augen glänzten wie kalte, regennasse Steine.
»Was ist geschehen? So red halt!« Nun war es Eleonore, die ihre Schwester grob am Ãrmel packte. Die Mischung aus Trotz und Hochmut, die sich auf Sonias Gesicht abzeichnete, kannte sie nur zu gut. Noch nie hatte sie etwas Gutes bedeutet.
»Wenn ich nicht müÃtâ, tätâ ich dir gar nichts davon erzählen, daà duâs gleich weiÃt!« Laut zog Sonia die Nase hoch, wischte sich mit dem Handrücken darüber und preÃte die nächsten Worte heraus.
»Was hast du gesagt? Jetzt red halt deutlich!« Eleonores Gesicht war nur noch eine Handbreit von dem ihrer Schwester entfernt, sie konnte jede Unebenheit
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