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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Eleonore eine stumpfe Holznadel. »Unsere Kartoffeln brauchen noch ein paar Augen. Schau«, sie nahm selbst eine Nadel in die Hand und drückte damit sanft ein paar Dellen in eine Marzipankugel, »erst jetzt werden richtige Kartoffeln draus!« Befriedigt musterte sie das Stück und ließ es dann in ihrem Mund verschwinden. »Schmecken besser als die Brombeeren vom Acker! Da, probier auch eine!«
    Genüßlich ließ Eleonore die süße Masse auf ihrer Zunge zergehen, wobei sie versuchte, diese so spät wie möglich herunterzuschlucken. Dabei vermischte sich der bittere Geschmack des Kakaos mit der kräftigen Süße des Marzipans zu einem so unwiderstehlichen Gemisch, daß sie genießerisch die Augen schloß.
    Â»Na, schmeckt das nicht süßer als jeder Kuß – selbst wenn er von einem Rothaarigen kommt?« Lili hielt ihr großzügig eine zweite Kugel hin.
    Â»Was weißt denn du von den Küssen eines Rothaarigen?« Beim Gedanken an ihre nächtlichen Treffen mit Leonard wurde Eleonore ganz heiß. Die Röte schoß in ihre Wangen. Um abzulenken, fragte sie: »Sag einmal, Lili, woher kennst du eigentlich die vielen köstlichen Rezepte? Wie wird man eine Zuckerbäckerin?«
    Â»Ha! Das ist ganz einfach: Meine Mutter war Zuckerbäckerin, mein Vater Koch, und sein Vater war ebenfalls schon Koch gewesen. Das ist in unserer Familie einfachTradition. Von klein auf gab es bei uns kein anderes Gespräch als Rezepte und Küchentratsch!«
    Â»Aber du als Weib? Die meisten Köche sind doch Männer.«
    Lili lachte. »Wir Hofstätter-Weiber haben uns halt schon immer durchzubeißen gewußt! Und irgendwann scheinen die feinen Herren Köche gemerkt zu haben, daß auch ein Weib einen Pudding zu rühren weiß. Meine Mutter – die haben sie sogar schon einmal an den bayerischen Hof gerufen. Dort sollte sie dem Zuckerbäcker die Kunst des Zuckerspinnens beibringen. Ich glaub’, so gut wie meine Mutter selig hat das keiner beherrscht …«
    Â»Die Kunst des Zuckerspinnens? Was ist denn das schon wieder?«
    Â»Das kannst du nicht kennen, Lorchen. Hier in Stuttgart wird kein großer Wert auf solche kunstvollen Verzierungen gelegt. So kam ich bisher noch nicht in die Verlegenheit, mich darin üben zu müssen. Und dem Himmel sei Dank, kann ich dazu nur sagen! Denn aus hauchdünnen Zuckerfäden meterhohe Gebilde zu blasen, den Zucker dazu zu bringen, genau die Form anzunehmen, die du dir für ihn ausgedacht hast, ist wirklich eine Kunst! Die zudem sehr viel Zeit und Geduld kostet, also nichts für mich! Hier, die Marzipankartoffel sieht eher aus wie ein faules Ei. Willst du sie noch?«
    Gerade als Eleonore sich die Süßigkeit in den Mund steckte, erschien Sonia im Türrahmen. »Ach, hier steckst du also! Da kann ich ja lange das ganze Schloß nach dir absuchen!«
    Schuldbewußt schluckte Eleonore den Rest der Marzipankartoffel herunter. Auf einmal war die süße Stille des Nachmittags vorbei.
    Die Zuckerbäckerin drehte sich weg und machte sich geschäftig daran, die Süßigkeiten in bereitstehendeBonbonnieren umzufüllen. Sie richtete kein Wort an Eleonores Schwester.
    Â»Los, komm. Ich muß mit dir reden.« Ohne Lili zu begrüßen, packte Sonia ihre Schwester am Arm und zog sie hinter sich her.
    Â»Was ist denn? Warum kannst du mir nicht hier sagen, was du zu sagen hast?« Eleonores Zunge war pelzig belegt, ihr Speichel schmeckte bitter und brannte beim Herunterschlucken. Ein dunkles, ungutes Gefühl breitete sich in ihr aus. So stolperte sie einfach hinter Sonia her, bis diese vor einer Kellertür haltmachte.
    Â»Ich brauch’ deine Hilfe.« Sonias Augen glänzten wie kalte, regennasse Steine.
    Â»Was ist geschehen? So red halt!« Nun war es Eleonore, die ihre Schwester grob am Ärmel packte. Die Mischung aus Trotz und Hochmut, die sich auf Sonias Gesicht abzeichnete, kannte sie nur zu gut. Noch nie hatte sie etwas Gutes bedeutet.
    Â»Wenn ich nicht müßt’, tät’ ich dir gar nichts davon erzählen, daß du’s gleich weißt!« Laut zog Sonia die Nase hoch, wischte sich mit dem Handrücken darüber und preßte die nächsten Worte heraus.
    Â»Was hast du gesagt? Jetzt red halt deutlich!« Eleonores Gesicht war nur noch eine Handbreit von dem ihrer Schwester entfernt, sie konnte jede Unebenheit

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