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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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auf deren Haut erkennen. Kleine, feuchte Schweißperlen sammelten sich über ihrer Oberlippe, Schweiß brach auch aus den großen Poren ihrer Wangen hervor.
    Â»Ein Kind krieg’ ich, verdammt noch mal!«
    Â»Lore! Was ist los? Schläfst du, oder träumst du nur? Wie lange willst du noch an dem Waschtrog stehen? Glaubst du, ich will wegen dir die ganze Nacht aufbleiben?« Mit einem lauten Knall ließ Frau Glöckner, die Hoftafelaufseherin, ihrleeres Tablett auf einen Seitentisch fallen und griff nach einem weichen Baumwolltuch. »So kenn’ ich dich gar nicht. Da dachte ich, ich tu’ dir einen Gefallen, indem ich den Johann bitte, dich bei mir einzuteilen, aber Undank ist wohl der Welt Lohn«, fuhr sie wütend fort. »Heute ist aber auch überall der Wurm drinnen. Erst fällt einer der Silberputzerinnen eine Gabel unter die Holzstiege, und es dauert eine Ewigkeit, bis wir sie wieder finden, dann fehlt auf einmal ein Dutzend der dunkelblauen Kerzen – und jetzt scheinst du auch noch zur Salzsäule erstarrt zu sein!« Als Eleonore immer noch wie gelähmt dastand, begann sie selbst die restlichen Teller abzutrocknen. Die Empörung brannte rote Flecken in das Gesicht der schlanken, strengaussehenden Frau. Die königliche Porzellankammer war Friederike Glöckners zweite Heimat. Ihre Arbeit verrichtete sie mit beinahe religiösem Eifer, und in ihren Augen gab es im gesamten Hofhaushalt kaum eine Institution, die wichtiger war als die der Porzellanverwaltung. Daß Eleonore oder jemand anders auch nur daran denken konnte, beim Umgang mit dem königlichen Geschirr weniger als äußerste Sorgfalt zu verwenden, empfand sie nicht nur als frevelhaft, sondern als persönliche Beleidigung. Konsterniert plusterte sie ihre Wangen auf, um einen Schwung sauren Atems in die Luft zu blasen. Dann stapelte sie das Geschirr auf ein bereitstehendes Tablett, wobei sie sorgfältig zwischen die einzelnen Stücke eine Lage feines Seidenpapier legte.
    Wie durch dichten Nebel hörte Eleonore ihr Jammern, ohne selbst ein Wort herauszubringen. Die goldenen Bordüren der Teller begannen unter ihren Augen auf dem dunkelblauen Hintergrund zu verschwimmen, bis sie wie kleine, funkelnde Wellen hin und her tanzten. Hätte sie auch nur eines der feinen Stücke in die Hand nehmen müssen, wäre es ihr wahrscheinlich mit einem lauten Scheppern heruntergefallen – so sehr zitterten ihre Hände.
    Â»Eleonore – ist dir nicht gut?« Mit verkniffenen Augen hatte die Hoftafelaufseherin ihr Tuch zur Seite gelegt und war nun vor Eleonore getreten, die wie eine junge Birke im Wind hin und her schwankte. »Um Himmels willen, du siehst ja aus, als ob du gleich ohnmächtig wirst. Setz dich besser hin!« Mit einem Ruck schob sie Eleonore zur Seite, einen beunruhigten Blick auf den Tisch werfend, der sich unter der Last der vielen Geschirrstücke fast bog. Ihre größte Sorge galt den Dutzenden von Kerzenleuchtern, Blumenvasen und Tafelaufsätzen, weniger der blassen jungen Frau, die wie ein Geist vor ihr stand. Sollte Eleonore diese mit sich zu Boden reißen, wäre das eine undenkbare Katastrophe gewesen!
    Noch immer brachte Eleonore keinen Ton heraus. Sonias Worte klangen ihr so laut in den Ohren, daß sie glaubte, jeder andere müsse sie ebenfalls hören. Vorsichtig schaute sie zu Frau Glöckner hoch, doch auf deren Gesicht war keine Spur von Verachtung, Wut oder Abscheu zu erkennen. Sie sah lediglich etwas besorgt aus. Noch ist Sonias Geheimnis also sicher, ging es ihr durch den Kopf. Mit einem Schlag erwachte sie aus ihrer Lähmung. Sie hatte keine Zeit mehr zu verlieren.
    Â»Frau Glöckner, es tut mir leid, aber mir ist gar nicht wohl. Der Kopf brennt, und mir ist ganz schwindlig. Ich muß …« Bevor sie den Satz zu Ende gesprochen hatte, rannte sie aus der Küche hinaus. Nach ein paar Schritten in dem kühlen Gang gelang es ihr, tief durchzuatmen.
    Eine Engelmacherin mußte gefunden werden! Sonia mußte ihre Glasperlen und Armreifen dafür verkaufen! Sie hatte keine Ahnung, was eine solche Frau für ihre Dienste verlangen würde. Sie selbst mußte ihr Erspartes zählen, obwohl – viel war es nicht, was sie seit ihrer Ankunft auf dem Schloß hatte zur Seite legen können. Denn schließlich bekamen sie nur ein paar Kreuzer für ihre Arbeit, mußtendafür aber nichts für

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