Die Zuckerbäckerin
königlichen Garde nicht das gleiche vorsetzen wie einem Kaffeekränzchen adliger Damen, die bei Katharina vorsprechen wollten. Vor Mitternacht kam kaum jemand mehr aus der Küche fort, dazu gab es einfach zuviel zu erledigen, vorzubereiten oder aufzuräumen. Dementsprechend war die Stimmung, viel schneller als früher fiel heuer ein harsches Wort, Fehler und Versäumnisse wurden nun mit einer Ohrfeige gestraft, wo einst tadelnde Worte den gleichen Zweck erfüllt hatten. Dennoch gab es kaum einen, der es gewagt hätte, schlecht über die Königin zu sprechen.
Die einzige, der es immer noch gelang, freie Zeit für sich herauszuschinden, war Sonia. Doch selbst diese schien nicht besonders glücklich darüber zu sein, ging es Eleonore durch den Kopf. Sie war mürrisch und gereizt, und nicht einmal die SpaÃe der Männer in Küche und Hof konnten ein Lächeln auf ihr Gesicht zaubern. Statt dessen kehrte sie ihnen völlig ungewohnt den Rücken zu. Eleonore versuchte, Sonias Launen so gut es ging zu ignorieren. Nach Leonards Anschuldigungen hatte sie sie in den ersten Wochen des Jahres kaum aus den Augen gelassen. Daà ihr jemand so dicht an der Ferse klebte, paÃte allerdings gar nicht zu Sonias Freiheitsdrang, und so wehrte sie sich mit der stärksten Waffe, die ihr zur Verfügung stand: ihrer spitzen Zunge. Das Ergebnis war, daà sich die beiden Schwestern täglich heftig zankten. Und herausgefunden hatte Eleonore auch nichts. Wahrscheinlich waren Leonards Anschuldigungen eh nur heiÃe Luft, nicht mehr als bösartige Gerüchte, von miÃgünstigen Weibern in die Welt gesetzt, die selbst ein Auge auf den einen oder anderen Burschen geworfen hatten. Leonard traf sie auch nur noch zwischen Tür und Angel. Für ein längeres Zusammensein, womöglich sogar unter vier Augen, hatten die Tage einfach nicht genug Stunden. Aber im Grunde genommen machte Eleonore dieMehrarbeit nichts aus. Immer noch gab es täglich so viel Neues für sie zu entdecken. Daà sie sich am liebsten selbst einmal an einen der riesigen Herde gestellt und etwas gekocht hätte, behielt sie besser für sich. Mühsal? Nein, mühselig war es für Eleonore bisher noch nicht gewesen.
»Wenn die Königin ihre Einweihungsfeier in den Sommer gelegt hätte, hättâ ichâs auch einfacher gehabt«, knurrte Lili. Kaum hatte sie die Zuckerbäckerei betreten, zog sie sich mit der einen Hand die Schürze zurecht, während sie mit der anderen mehrere Töpfe und Tiegel parat stellte.
»Ach, Lili! Für dich gehört das Jammern wohl einfach dazu, was?« Eleonore muÃte lachen. »Was wäre denn im Sommer einfacher gewesen?« Fasziniert schaute sie der Zuckerbäckerin zu, wie diese begann, aus süÃem Marzipanteig kleine kartoffelförmige Kugeln zu formen und diese dann in Kakao zu wälzen.
»Das kann ich dir genau sagen: Ich hätte einfach ein paar Körbe mit frischen Erdbeeren genommen, die Früchte in Schokolade getaucht und wärâ fertig gewesen!«
»Das kannst du dem Mann im Mond erzählen! Dir macht es doch Freude, diese süÃen Träume herzustellen, das kannst du nicht verleugnen.« Eleonore gab ihr einen freundschaftlichen Schubs in die Seite und beäugte zum hundertsten Male die hochaufgetürmten Teller voller Köstlichkeiten, die den geladenen Gästen von Katharinas Einweihungsfeierlichkeiten der ersten Beschäftigungsanstalten in speziellen Dosen überreicht werden sollten. Denn schlieÃlich waren es diese edlen Spender, die ihre Pläne erst möglich gemacht hatten, hatte Katharina erklärt, als sie höchstpersönlich bei einem Besuch in der Küche Lili den Auftrag für die SüÃigkeiten erteilt hatte. Als Dank und als Erinnerung an den denkwürdigen Anlaà sollten die Gäste eine süÃe Ãberraschung erhalten. Und so hatte die Zuckerbäckerin Hunderte von NuÃbögen, Königs-Talern undKatharinen-Kränzchen gebacken. Dazu Berge von Früchten kandiert und Nüsse in Schokolade getunkt. Auf einem weiteren Tablett türmten sich Katzenzungen, ein längliches, sehr luftiges Gebäck, dessen Rezept Lili selbst erfunden hatte. Nun war sie mit der Herstellung ihrer berühmten Marzipankartoffeln beschäftigt, die den Abschluà der SüÃigkeitenparade bildeten.
»Wenn du das sagst, wird es wohl so sein. Hier!« Grinsend gab Lili
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