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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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»Eröffnungsfeierlichkeiten« etwas anderes vorgestellt. Fröstelnd zogen die Mitglieder des Wohltätigkeitsvereins ihre sommerlichen Umhänge enger, denn es gelang keinem einzigen Sonnenstrahl, die kalten, feuchten Mauern zu durchdringen. Erst nachdem sie von einem livrierten Diener jeweils eine mit Lilis Köstlichkeiten gefüllte Bonbonniere mit der verzierten Aufschrift »Zum Dank – Dem edlen Spender der 1. Beschäftigungsanstalt – Stuttgart, 13. April 1817« überreicht bekamen, wurden ihre Mienen versöhnlicher.
    Vielleicht lag es auch an der Tatsache, daß nirgendwo Kinder herumrannten, sinnierte Eleonore weiter. Auch Männer waren nicht zu sehen, nur Frauen durften hier beschäftigt werden. Im Grunde genommen war Katharinas Weg schon recht. Vielen Armen war daran gelegen, sich ihr Brot selbst zu verdienen, mochte Sonia auch etwas anderes behaupten. Sie hier zu beschäftigen war auf alle Fälle besser, als sie zusammen mit Irren und Todkranken ins Spital zu sperren! Krampfhaft suchte Eleonore nach einer Rechtfertigung, mit der sie Katharina, der von ihr über alles geliebten Königin, hätte unbeschwert zujubeln können. Denn genau dies wollte ihr nicht richtig gelingen. Sie schalt sich für ihren Hochmut. Wer war sie schon, daß sie Katharinas Werk hätte rügen dürfen? Sie, eine ehemalige Diebin, die es nur zum Drecksweib gebracht hatte? Sie, die Tochter einer Räuberin, die nie etwas Anständiges gelernt hatte?
    Auf einmal durchfuhr sie ein Gedanke. Sie zuckte zusammen. Verwundert drehte sich Sonia zu ihr um. »Was ist los?«
    Mühsam zwang Eleonore ihre Stimme zu einem heiseren Flüstern. »Sonia, ich weiß, woran es hier fehlt!«
    Â»Woran es hier fehlt? Wie meinst du das?«
    Â»Nun, es ist …, was ich meine, ist …« Auf einmal war sie sich doch nicht mehr so sicher. Wie konnte sie nur auf den Gedanken kommen, besser als die Königin zu wissen, was gut für die armen Seelen war?
    Â»Jetzt red halt schon, wenn du was zu sagen hast.« Sonia starrte ihre Schwester mit mißtrauischen Augen an. Daß diese sich mit solcher Überzeugung für etwas einsetzte, verunsicherte Sonia. Diese Seite kannte sie an Eleonore nicht. Bisher war sie ein Mensch gewesen, den man sehr leicht überreden konnte, wenn man nur recht bestimmt seine Sache hervorbrachte.
    Eleonore sah das Funkeln in Sonias Augen und hielt es für das gleiche Glühen, das auch sie wärmte.
    Â»Du selbst hast doch gesagt, daß die Weiber hier keinen glücklichen Eindruck machen, oder?«
    Â»Ja, schon. Aber was geht das uns an? Wir sind doch bald wieder von hier verschwunden, Gott sei Dank, kann ich nur sagen!«
    Â»Darum geht es doch gar nicht. Was ich sagen will, ist: Die Weiber hier, das sind doch alles schon fertige Menschen, an ihre alten Wege gewöhnt. Ob die sich jemals mit Katharinas Plänen anfreunden können? Würde es nicht viel mehr Sinn machen, wenn die Königin sich statt dessen um die Kinder von diesen Frauen kümmern würde?«
    Â»Die Kinder? Wozu? Laß doch die Kinder in Frieden! Oder willst du die etwa auch gleich ans Spinnrad setzen?«
    Â»Nein.« Eleonore verdrehte die Augen. Fast bereute sie es, überhaupt davon angefangen zu haben. Sie machte einen letzten Versuch.
    Â»So denk doch einmal nach: Die Frauen, die hier sitzen und für ein paar Groschen den ganzen Tag schuften müssen – haben sie denn eine andere Wahl?«
    Sonia zuckte mit den Schultern. Sie konnte sich einfachnicht denken, worauf Eleonore hinauswollte. Allmählich wurde ihr das Gerede über Kinder, die sie nichts angingen, lästig. Doch dann erinnerte sie sich daran, daß sie selbst sehr bald Eleonores Beistand und Hilfe bedurfte und nahm sich zusammen. Sie versuchte einen aufmunternden Blick. Mehr brauchte es nicht, um Eleonores Wortschwall erneut in Gang zu setzen.
    Â»Die Frauen hier haben keine andere Wahl, sie müssen froh sein, daß sie nicht verhungern. Aber die Kinder draußen auf der Straße, um die sich niemand kümmert – die müßten eigentlich noch eine andere Wahl haben!«
    Â»Was für eine Wahl hat man denn schon als Kind?« fragte Sonia verächtlich. »Schau uns doch an: Hat uns denn einer gefragt, ob wir Columbina folgen wollten? Nicht, daß ich jemals etwas anderes gewollt hätte …«
    Â»Das ist es doch

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