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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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nicht gesehen. Den ganzen Tag über hatte sie kein gutes Wort mehr für die beiden Mädchen gehabt, selbst Sonia wurde von ihr angeschrien. Als Eleonore sich dafür entschuldigen wollte, daß sie ihre Mutter soviel Geld gekostet hatten, bekam sie als Antwort eine Ohrfeige verpaßt, daß ihr das halbe Gesicht brannte.
    Sonia versetzte ihr einen Stoß in die Seite. »Weißt du noch?« Die überraschende Einladung, die Fahrt in der Kutsche und nun diese Begegnung mit ihrem früheren Lebenhatten rote Flecken auf ihr blasses Gesicht gezaubert. Zum ersten Mal seit Tagen schien sie ihr eigenes Unglück vergessen zu haben. Der kommende Samstag war weit weg.
    Â»Und ob!« Auch Eleonore war durch den Ausflug abgelenkt, so daß es ihr gelang, Leonard und seine quälende Fragen vorübergehend zu verdrängen und sich nur mit der Gegenwart abzugeben. Ewig konnte sie ihm ihre Antwort nicht schuldig bleiben, das wußte sie. »Der alte Schuppen hat sich ganz schön verändert, seit wir das letzte Mal hier übernachtet haben, nicht wahr?«
    Sonia kicherte leise. »Ich möcht’ trotzdem nicht mehr hierher zurück, das kannst du mir glauben.« Auf einmal wurden ihre Augen dunkel. »Was wohl aus den anderen von damals geworden ist? Die Metzgers-Marie oder der Sepp oder die beiden alten Brüder, wie hießen sie noch? Jetzt, wo die Königin und ihre Helfershelfer sie von hier vertrieben haben …«
    Â»Psst. Bist du still! Wenn dich jemand hört!« Um sie herum blickten einige der geladenen Damen von ihren goldbedruckten Heften auf und zu ihnen herüber. Eilig packte Eleonore ihre Schwester am Handgelenk und zog sie zur Seite. »Fast hättest du uns verraten, du dumme Nuß!« Kopfschüttelnd blickte sie in den Raum. Es sah Sonia gar nicht gleich, so unachtsam zu sein, wenn es darum ging, die eigene Vergangenheit zu verbergen. Wahrscheinlich setzten ihr die Erinnerungen mehr zu, als sie eingestehen wollte, ging es Eleonore durch den Kopf. Sie deutete mit ihrem Kinn auf das geschäftige Treiben. »Und außerdem: Die Königin hat niemanden vertrieben! Ihre Idee ist doch großartig. Statt den Armen nur ein Almosen zu geben, bekommen sie hier Arbeit, und ihre Würde bleibt gewahrt.«
    Â»Pah! Als ob das eine von denen wirklich will! Schau dir doch die unglücklichen Gesichter an!« zischte Soniazurück. »Die pfeifen doch auf ihre ›Würde‹, solange sie etwas zum Beißen haben und einen Schluck Wein dazu!«
    Eleonore schwieg. So einfach wollte ihr keine Entgegnung auf Sonias Worte einfallen. Die Frauen, die hier an den Dutzenden von Spinnrädern und Webstühlen saßen oder damit beschäftigt waren, kleine papierne Banderolen auf fertige Wollknäuel zu ziehen, machten wirklich keinen besonders dankbaren, geschweige denn glücklichen Eindruck! Mit gesenkten Köpfen saßen sie über ihre Arbeit gebeugt, die Blicke, die sie den Besuchern zuwarfen, waren eher mißmutig als dankerfüllt. Nun, war es denn ein Wunder, wenn sie bestaunt wurden wie Zwerge auf einem Jahrmarkt? Eleonore hatte Mühe, sich von der dumpfen Unlust um sie herum nicht anstecken zu lassen. Ihr fielen die Worte der Königin bei der feierlichen Ansprache vor dem Kornspeicher ein. Dem neuen Wohltätigkeitsverein sei es zu verdanken, daß die Fürsorge endlich neue Wege gehen könne, hatte sie mit glühenden Augen verkündet. »Zum ersten Mal werden nicht mehr würdige Arme und unwürdige in einen Topf geworfen! Nein, wer gesund genug ist zum Arbeiten, der soll in Zukunft auch arbeiten dürfen!« Mit einer weitausholenden Handbewegung hatte sie auf die anwesenden Gäste gezeigt und weitergesprochen: »Was wir hier sehen, ist nur Ihrer Wohltätigkeit, Ihrer Menschenliebe und Ihren edlen Spenden zu verdanken! Diese Beschäftigungsanstalt ist die erste ihrer Art, aber, verehrte Gesellschaft, so wahr mir Gott helfe, ihr sollen noch viele im ganzen Land folgen! Indem hier auf einen geregelten Tagesablauf und unentwegte Betriebsamkeit geachtet wird – Dinge, die den meisten der hier Beschäftigten noch fremd sind –, bekommen die Menschen die Möglichkeit, ein ehrliches und strebsames Leben zu führen, ja, sich von ihrem unlauteren Lebenswandel abzukehren!«
    Daraufhin hatten die feinen Damen zaghaft in die Hände geklatscht. Wahrscheinlich hatten sich die meisten von ihnen unter

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