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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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nicht eine der beiden Schwestern, die sie aufs Schloß geholt hatte? Sie blinzelte mehrmals, um das Gesicht der Frau erkennen zu können, und tatsächlich: Es war die ältere der beiden Schwestern, die ihr – ohne sich dessen bewußt zu sein – so wertvolle Hilfe bei ihren Plänen geleistet hatte. Einer plötzlichen Eingebung folgend durchquerte sie das Zimmer und zog einmal am Glockenzug. Kurz danach hörte sie Schritte auf dem Flur, dann ein sanftes Klopfen.
    Sie drehte sich um und zwang sich, ihre Gesichtszüge zu entspannen. Ihre Hofdame hatte fast hellseherische Fähigkeiten, wenn es darum ging, schlaflose Nächte oder Schmerzattacken aus Katharinas Gesicht zu lesen. Wie kein anderer kannte sie ihre Königin und litt bei jeder Kopfschmerzattacke mit ihr. Um wieviel einfacher war es da in Wilhelms Gesellschaft, vor dem sie ihre Anfälle so gut zu verbergen gelernt hatte!
    Â»Fräulein von Baur, bevor Sie die Kutsche vorfahren lassen, habe ich noch eine Bitte. Veranlassen Sie, daß man ineinem anderen Gefährt die beiden verwaisten Schwestern, die in der Küche arbeiten, zu den Eröffnungsfeierlichkeiten fährt. Mir drängt sich das Gefühl auf, ich sei es ihnen schuldig, denn habe ich nicht schließlich von ihnen wertvolle Hinweise bekommen?«
    Die Hofdame riß beide Augen auf. Würde jemals der Tag kommen, an dem die Königin sie nicht mehr aus der Fassung bringen konnte? »Verehrte Hoheit …, glaubt Ihr, es ist ein weiser Gedanke, bei all der feinen Gesellschaft …«
    Katharina winkte ab. »Ich weiß, was Sie sagen wollen, meine Liebe. Dann sorgen Sie eben dafür, daß die beiden sich zuerst waschen, und lassen Sie ihnen saubere Kleidung geben! Armut ist keine Schande, und wer heuer geladen ist, darf sich nicht scheuen, Aug’ in Aug’ mit ihr zu kommen. Haben wir uns schließlich nicht alle gemeinsam aufgemacht, um die Löcher der Armut zu stopfen?«
    Die Beschäftigungsanstalt war in einem uralten, seit Ewigkeiten nicht mehr benutzten Kornspeicher am Stadtrand untergebracht. Als sich ihre Kutsche dem riesigen Gebäude näherte, warfen sich die beiden Schwestern einen bedeutungsvollen Blick zu. Daß sie jemals wieder in diesen Stadtteil gelangen sollten, wäre keiner von beiden je in den Sinn gekommen. Früher hatten sie manche Nacht in den dunklen Mauern verbracht, die das schlimmste Wetter und die ärgste Kälte abzuhalten vermochten. Trotzdem war es Eleonore in dem riesigen Saal, in dem jedes gesprochene Wort zerstückelt von den Wänden zurückhallte, nie ganz wohl gewesen. Schon der Weg dorthin kam einer Mutprobe gleich: Hier, am Rande des Flusses Neckar, gab es keine Straßenlaternen, und kein Nachtwächter schritt die engen Gassen ab, in denen sich außer den Ratten niemand der Berge von Unrat und Müll annahm. Trotzdem waren der alte Kornspeicher wie auch die anderen umliegendenLagerschuppen bei den Vaganten begehrt, denn vor übereifrigen Beamten der königlichen Gendarmerie war man hier immer sicher gewesen. Von ihnen aufgegriffen und ins Arbeitshaus verfrachtet zu werden war eine der Gefahren, mit denen die Vaganten täglich leben mußten. Genauso schlimm war allerdings die Angst, den eigenen Namen auf einer der gefürchteten »Gaunerlisten« wiederzufinden, denn damit war der erste Schritt ins Gefängnis meist schon getan. Seit es im Land das Gesetz gab, immer und überall einen Ausweis mit dem eigenen Namen und dem Heimatort mitzutragen, waren die Kontrollen um ein vielfaches bedrohlicher geworden. Eleonore dachte an Columbina. »Die neuen Ausweise oder Pässe oder wie sie die Lappen auch nennen, sind unser Untergang«, hatte sie immer wieder gejammert, nachdem sie sich deshalb mit ihren Töchtern im Cannstatter Rathaus anstellen mußte. Nur mit vielen Worten und einem kleinen Säckchen voll Münzen hatte sie den Beamten von ihrer ehrlichen Berufung als »reisender Kesselflickerin« überzeugen können. Als er ihr endlich einen Ausweis samt der Bewilligung zur Reise ausgestellt hatte, war sein Blick auf die beiden Schwestern gefallen. »Diese Reisegenehmigung gilt aber nicht für die Kinder!« Am Ende mußte Columbina weitere zehn Münzen über den Tisch schieben, bevor die Mädchen ebenfalls einen Ausweis bekamen, der ihnen das Reisen im Land erlaubte. So wütend wie damals hatte Eleonore ihre Mutter noch

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