Die Zuckerbäckerin
es daher nicht, die das Land verliert!« Sein Gesicht verzog sich zu einer bitteren Miene. »Daà sie dem russischen Zaren eher zutrauen als mir, sie vor Hunger und Not zu erretten ⦠auch das schmerzt.« Als Katharina ihm eine tröstende Hand auf den Arm legen wollte, drehte er sich mit steifen Schultern von ihr weg. Angespannt starrte er zum Fenster hinaus, als stünde die Antwort auf alle seine Sorgen im wolkenverhangenen Nachmittagshimmel geschrieben.
Wie vom Schlag getroffen stand Katharina da. Daà Wilhelm so stark für seine Untertanen empfand, daà ihn deren Weggehen so sehr schmerzte, hätte sie nicht für möglich gehalten. Es erfüllte sie einerseits mit Glück â zeigte es doch,daà Wilhelm neben seinem kühlen, nüchternen Verstand doch ein groÃes Herz besaÃ. Auf der anderen Seite bekümmerte sie sein Schmerz sehr.
»Wilhelm â¦Â«, begann sie vorsichtig, »ich kann mir sehr gut vorstellen, welche Qualen es dir bereiten muÃ, zuzusehen, wie so viele brave Menschen die Heimat verlassen. Aber ist es in der augenblicklichen Situation nicht das Beste für alle? Unter Alexanders Obhut haben sie Aussicht auf ein besseres Leben. AuÃerdem bleibt so für die Zurückgebliebenen viel übrig, man hat mir berichtet, daà die Auswanderer ihr Land für ein paar Heller an Verwandte oder Nachbarn verkaufen!« Sie versuchte ein Lächeln und brachte doch nur eine hilflose Grimasse zustande.
»Ein besseres Leben!« Er verzog sein Gesicht zu einer bitteren Fratze. »Das bleibt erst noch abzuwarten. Wie Ratten verlassen sie das sinkende Schiff! Wer in der Zwischenzeit unsere Ãcker bestellen soll, ist diesen Abtrünnigen völlig egal. Daà es einfach Zeit braucht, bis die HilfsmaÃnahmen für die Landwirtschaft wirken, kann keinem von ihnen verständlich gemacht werden. Nein, da wird es für ein, zwei Jahre ein wenig knapp mit dem Brot und der Suppe, und schon heiÃt es: Auf nach RuÃland! Der âºvon Gott erhabene Alexanderâ¹ wird uns schon erretten!« Seine Stimme triefte vor Spott und Verachtung.
»Ein wenig knapp? Wilhelm! Ich weigere mich, deine Worte für bare Münze zu nehmen.« Mit groÃer Mühe zwang sich Katharina, ruhig zu bleiben. Sie wollte nicht glauben, was sie da hörte. Daà der König es den Ãrmsten der Armen übelnahm, das schriftlich niedergelegte Recht zur Auswanderung in Anspruch zu nehmen, konnte einfach nicht wahr sein! Auch daà er auf ihren Bruder und auf die Liebe, die ihm sein Volk entgegenbrachte, eifersüchtig war, war etwas, das vollkommen auÃerhalb von Katharinas Verständnisvermögen lag. Und daà er das wirkliche AusmaÃder Hungerkatastrophe weiterhin so unterschätzte, war ebenso unfaÃbar!
Ohne auf sie einzugehen, begann er, Finger für Finger an seiner Hand abzuzählen. »Was hat das Ministerium für Inneres in den letzten Monaten nicht alles unternommen: MaÃnahmen zur Ausdehnung des Futtermittel- und Obstanbaus wurden bereits ergriffen â ich frage mich nur, wer sie durchführen soll, wenn die Herren Bauernschaft es so eilig haben, ins reiche RuÃland zu gelangen? Die Vorratswirtschaft ist von Grund auf erneuert und reformiert worden, staatliche Kontrolleure werden in Zukunft dafür sorgen, daà die Kornhäuser im Land stets für den Notfall gefüllt werden. Ein Erlaà über den Verzehr von Ersatzstoffen wird derzeit im ganzen Land verbreitet, meine Beamten mühen sich damit ab, auch den letzten Bauern im verlassensten Winkel des Landes über die Vorzüge von Kräutern, Wurzeln und Pferdefleisch aufzuklären. Und? Werden mir meine Bemühungen etwa gedankt? Meine Beamten schreiben sich die Finger wund, um sämtliche neue Erlasse so schnell wie möglich unter die Leute zu bringen, während drauÃen im Land der bloÃe Unmut tobt! Man berichtet mir, daà meine Pläne, zusätzliche Flächen zu bebauen, von der Landwirtschaft höchst miÃtrauisch betrachtet, teilweise sogar verweigert werden! Sie hätten mit ihrem bisherigen Ackerland genügend zu tun, sagen die Bauern. Kein Wunder, wenn die Hälfte von ihnen nach RuÃland rennt!« Wilhelm stand sein Unverständnis über das Verhalten der Bauern ins Gesicht geschrieben. »Und von meinen Generälen muà ich mir Anspielungen darüber anhören, daà unser Land mit seinen Menschen nach
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