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Die Zuckerbäckerin

Die Zuckerbäckerin

Titel: Die Zuckerbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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nichts mehr!« Sie heulte so sehr, daß ihr ganzer Leib davon geschüttelt wurde.
    Â»Jetzt beruhige dich erst einmal! So kann ich gar nichts sehen!« Eleonore schaute Lili an, die verständnisvoll mit den Schultern zuckte. Jeder wußte, daß Sonia gern aus der kleinsten Lappalie eine Tragödie machte. Kopfschüttelnd ging Lili in die Küche, um schon einmal alleine mit der Arbeit zu beginnen.
    Krampfhaft starrte Eleonore in Sonias Auge. Sie konnte es zur Hälfte öffnen.
    Â»Also, ich seh’ da nichts, tut mir leid!« Langsam wurde Eleonore etwas ungeduldig. Es war ihr nicht recht, daß Lili die ganze Arbeit allein verrichten mußte, nur wegen Sonias Zimperlichkeit. »Ich bin blind, und dich kümmert das einen Dreck!« heulte Sonia erneut los. Ihr Schreien hattemittlerweile die halbe Küchenmannschaft herbeigelockt, jeder steuerte einen hilfreichen Rat bei, was in solch einem Falle zu tun sei. Vereinzelte schadenfrohe Blicke waren jedoch nicht zu übersehen.
    Â»Weg da! Macht euch wieder an die Arbeit!« scheuchte Ludovika die anderen schließlich davon und trat mit einem Lumpen in der Hand an Sonia heran. »Da, preß dir den aufs Auge, das ist ein Kamillensud, der wird dir schon helfen!«
    Ob es nun Ludovikas strenger Blick oder ihr kamillengetränkter Lappen war, wußte niemand so genau, doch plötzlich ging es Sonias Auge wieder besser. Über die ganze Unternehmung war allerdings so viel Zeit verstrichen, daß Eleonore sich nicht einmal mehr bei Lili verabschieden konnte, sondern sich umgehend mit Sonia auf den Weg zur Schule machte.
    Der Innenhof der Schule war bis auf den letzten Platz mit Menschen besetzt, und zwar überwiegend mit Frauen. Denn außer den Müttern der Schülerinnen war nur ganz vereinzelt auch der Vater mitgekommen, um die erste Schule Stuttgarts dieser Art einzuweihen.
    Ganz unterschiedliche Arten von Müttern saßen da: Die in feinstem Putz hergerichtete Gräfin fand sich mit pikierter Miene neben einem ärmlich gekleideten Weibe wieder, allem Anschein nach eine Arbeiterin oder Näherin. Ganz hinten, verschämt an die Mauer gedrückt, aber dennoch mit einem unverkennbar stolzen Gesichtsausdruck, stand eine ganze Reihe von Frauen der untersten Bevölkerungsschicht. Ihre Kleider waren zwar sauber, aber zerschlissen, so daß sie einen ordentlichen Eindruck unmöglich machten. Ihre Haare hatten die Frauen zu Zöpfen gebunden und diese eng am Kopf festgesteckt. Neidisch begutachteten sie die bunten Federn und Perlen im Haar der feinen Damen. Und doch hatten sie, die den Haarputz der Reichen in mühevoller Heimarbeit und für einen Hungerlohn herstellten, dengleichen Grund zur Freude wie diese Damen: Auch für ihre Töchter war Katharinas Schule gedacht. Ihre schlauen Töchter, deren Begabungen den Lehrern in der Grundschule aufgefallen und der Königin mitgeteilt worden waren. Ihre Töchter, die allein durch ihre Fähigkeiten und nicht durch den Zufall ihrer Geburt in die Schule aufgenommen wurden. Noch wußten die Frauen nicht, was ihren Kindern diese Schule mit ihrer Bildung bringen würde. Sie waren zunächst nur froh, daß die Mädchen gut aufgehoben waren, täglich eine warme Mittagsmahlzeit bekamen und später vielleicht eine Arbeit mit guter Entlohnung finden würden. Diese Aussichten machten den Umstand wett, daß die Mädchen für die nächsten zwei Jahre beim Geldverdienen ausfielen …
    Links von der Tribüne standen Eleonore und Sonia. Auch sie konnten sich an den farbenprächtigen Roben der feinen Damen nicht sattsehen. Unentwegt wanderten ihre Blicke über die anderen Gäste. Handgeklöppelte Spitzen, durchbrochener, zartgefärbter Batist in Hunderte von Falten gelegt, selbst schwerer Samt verbrämt mit schmalen Pelzbordüren. Und erst die Kopfbedeckungen! Kleine und große Hüte, Schuten und Kappen, verziert mit Federn, Schleiern, Blumen und Perlen machten aus jeder noch so unscheinbaren Trägerin eine Dame von Welt. Neidisch blickte Sonia einer besonders herausgeputzten Mutter nach, an deren linkem und rechtem Arm jeweils ein junges Mädchen in Schuluniform daherschritt: Was hätte Sonia darum gegeben, nur ein einziges Mal in das taubenblaue, mit unzähligen Spitzenbordüren verzierte Gewand steigen zu dürfen! Wie prachtvoll hätte das zauberhafte Hutgebilde aus gleichfarbigem Tüll ihre dunkelbraune

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