Die Zuckerbäckerin
das Katz-und-Maus-Spiel der drei zu verfolgen. Heimlich muÃte sie dem Mädchen applaudieren, das mit den beiden Männern spielte wie mit Fischen an einer langen Angel. Um dem Schauspiel, das nicht auf, sondern hinter der Bühne stattfand, noch mehr Würze zu verleihen, ermunterte Melia Sonia immer öfter, sich dem Kreis ihrer Anhänger anzuschlieÃen.
Dies geschah nicht aus völlig uneigennützigen Gründen, konnte sich selbst Sonia in ihrer Selbstverliebtheit denken. Schnell hatte sie erkannt, daà Melia die ungekrönte Königin der kleinen Gruppe war, an deren erhabenem Rang keiner kratzen durfte, wollte er sich nicht am nächsten Tag schon in der Gosse wiederfinden. Schon sehr bald hatte sie auÃerdem heimlich beobachten können, daà die berühmte Hofschauspielerin jede Gelegenheit nutzte, sich unbemerkt von der Gruppe zu entfernen, um die ganze Nacht nicht mehr aufzutauchen. Dabei kam ihr wohl der Trubel um Sonia recht, der neugierige und unbequeme Blicke von ihr ablenkte. Es hätte Sonia schon interessiert, welchen geheimen Liebschaften Melia hinter dem Rücken der anderen nachging, jedoch kümmerte sie sich nicht weiter darum. Sie jedenfalls fühlte sich im neuen Kreis ihrer Verehrer so wohl wie eine Katze vor dem Sahnetopf. Und genau wie eine solche saugte sie jeden Tropfen an Bewunderung auf, den sieergattern konnte. Daà sie ihre nächtlichen Ausflüge am nächsten Tag meist mit bleierner Müdigkeit bezahlen muÃte, nahm Sonia gern in Kauf. Sooft es ging, lieà sie sich von Johann zu einfachen, monotonen Arbeiten wie dem Gemüseputzen oder Kartoffelschälen einteilen â Arbeiten, bei denen sie sich körperlich kaum anstrengen muÃte. Und bei denen sie in aller Ruhe ihre nächsten Auftritte planen oder sich Gustavs liebestolle Worte erneut durch den Kopf gehen lassen konnte.
Noch viel lieber war ihr allerdings die Nachricht von Fräulein von Baur gewesen, welche besagte, daà die Königin sie und Eleonore zu einer weiteren Einweihungsfeier einlud. Nach einer durchfeierten Nacht, die mit einem mitternächtlichen Picknick im SchloÃpark geendet hatte, war Sonia jede Zerstreuung recht, solange sie nicht mit Arbeit zu tun hatte. Hämisch dachte sie an die Berge von Mohren, die Sophie nun alleine schälen muÃte, während sie die neuesten Machenschaften von Katharinas Wohltätigkeit bewundern durften. Und Lili, der alten Zicke, konnte es auch nicht schaden, wieder einmal auf sich alleine gestellt zu sein, ohne die gutmütige Eleonore an ihrer Seite zu haben! Ein zufriedenes Grinsen breitete sich auf Sonias Gesicht aus. Allmählich fing das SchloÃleben an, ihr Spaà zu machen.
Gemächlich machte sie sich auf den Weg, Eleonore zu suchen. Wütende Blicke trafen sie von allen Seiten, während sie ohne Hast und mit aufreizend schwingenden Hüften durch die langen Dienstbotengänge schlenderte. GenüÃlich dachte sie an den letzten Abend, lieà sich Gustavs schmeichelnde Worte noch einmal wie Honig auf der Zunge zergehen. Heute abend konnte sie damit prahlen, von der Königin eingeladen worden zu sein!
Doch dann blieb sie wie vom Donner gerührt stehen. War dies nicht der Zeitpunkt, um einen ihrer langgehegten Pläne in die Tat umzusetzen? Je länger sie sich mit dem GedankenbefaÃte, um so wacher wurde sie, bis schlieÃlich jede Mattigkeit wie ein alter Lappen von ihr abgefallen war. Was sie vorhatte, war machbar. Warum also noch warten? Sie dachte krampfhaft nach: Hatte Königin Katharinas Hofdame nicht behauptet, sie müsse sich nun auf die Suche nach Eleonore machen? Das bedeutete, daà sie, Sonia, vor ihrer Schwester von der königlichen Einladung erfahren hatte. Nun war Eile angesagt. Hastig rannte sie die schmale Stiege hinauf unters Dach, wo ihre Schlafkammern lagen. Ebenso hastig durchwühlte sie ihren Spind, im dem ihre Habseligkeiten lagen. Nachdem sie fündig geworden war, rannte sie in Richtung Backstube. Wie sie ihre Schwester kannte, war ihr daran gelegen, die fehlende Zeit im voraus wettzumachen. Wenn es ihr nicht gelänge, Eleonore vor ihrem Eintreffen in der Zuckerbäckerküche zu erwischen, konnte sie ihren Plan in den Wind schreiben.
Gerade als Eleonore und Lili die Zuckerbäckerei betreten wollten, kam Sonia ihnen laut schreiend entgegen. Sie preÃte eine Hand auf ihr linkes Auge. »Lore, hilf mir, ich werde blind! Meine Augen, ich sehe
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