Die Zuckerbäckerin
Wege führten.
Tatsächlich war es so, daà Sonia lediglich ihr Jagdgebiet verlegt hatte. Nachdem sie feststellen muÃte, wie schnell sie dabei Gefahr lief, von einem der Dienstboten bei Johann oder Ludovika oder â noch schlimmer â bei ihrer Schwester angeschwärzt zu werden, hatte sie den ganzen Stallburschen, Wasserträgern, Soldaten und Kammerdienern den Rücken zugedreht. Während sie tagsüber bei ihrer Schwester guten Wind machte, ging sie abends auf immer längere Erkundungsgänge. Es war keine Abenteuerlust, die Sonia in die kleinen, verräucherten und bierseligen Spelunken von Cannstatt trieb. Es war auch nicht die Lust nach einem Mann und dessen starken Armen. Es war ihr unbewuÃtes, jedoch auch unstillbares Bedürfnis nach Bewunderung, das sie wegtrieb vom SchloÃ. Flüsterte ihr auch nur einer der am Tresen stehenden Männer ein paar schöne Worte über ihr Haar, ihre Augen oder ihren Körper ins Ohr, hatte sich der Abend für sie schon gelohnt. Ihr silbernes Gurren war Gegenstand vieler haÃerfüllter Blicke der anderen Weiber. Wie sehr haÃten sie Sonia für ihre urweibliche Kokettheit, mit der sie ihre Schultern zurückwarf und dabei ihre Brüste in die Höhe streckte, daà den Kerlen fast die Augen aus dem Kopf fielen!
Eines Tages wurde eine Gruppe von Schauspielern, die sich einen Spaà daraus machten, eine wüste Spelunke nach der anderen anzulaufen, auf Sonia aufmerksam. Die Darsteller des Stuttgarter Theaterhauses staunten nicht schlecht, mitten in einer der verschriensten Gaststätten der Altstadt auf eine Schauspielerin zu stoÃen, die ihresgleichen suchte. Während die Frauen der Gruppe Sonias zigeunerhafte,dunkle und erotische Erscheinung sofort mit argwöhnischen, eifersüchtigen Augen beobachteten, wurden die Schauspieler genauso in Sonias Bann gezogen wie alle anderen Männer vor ihnen auch. Ohne auf den Protest ihrer weiblichen Begleitung zu hören, nahmen sie Sonia in ihre Mitte, fütterten sie wie ein SchoÃhündchen mit Pralinen und tranken prickelnden weiÃen Wein mit ihr. Und als es an der Zeit war, von dieser Schenke in die nächste zu wandern, war es keine Frage, daà Sonia mitkam. Vor allem zwei Burschen hatten es besonders auf sie abgesehen: Der eine, Tobias Richter, war selbst noch ein Neuling in der Theatergruppe. Er hatte bisher nur kurze Auftritte, bei denen er höchstens einmal über die Bühne laufen muÃte. Doch war er damit vollauf zufrieden. Allein schon die Tatsache, zu dem erlauchten Kreis der farbenfrohen und gefeierten Gesellschaft zu gehören, reichte ihm. Der zweite, der sich um Sonias Gunst versuchte, war Gustav Bretschneider, dem an der Seite der berühmten Hofschauspielerin Melia Feuerwall meist die männliche Hauptrolle des jeweiligen Stückes zufiel. Da König Wilhelm ein begeisterter Anhänger des Hoftheaters war und dieses für nicht unerhebliche Geldbeträge von Thouret, dem königlichen Baumeister, hatte modernisieren lassen, waren die Schauspieler beschäftigter als je zuvor. Und sah es zu Beginn so aus, als würde die neue Königin die Leidenschaft ihres Mannes für Theater und Oper nicht teilen, so wurden sie bald eines Besseren belehrt. Allerdings nutzte Katharina das Hoftheater für ihre Zwecke: Allein im laufenden Jahr hatte sie schon zwei Aufführungen des Spielplans â Mozarts Zauberflöte und Schillers Jungfrau von Orleans â zu Benefizveranstaltungen erklären lassen, deren Erlöse ihren wohltätigen Zwecken zugute kommen sollten. Bei vier Theaterabenden pro Woche und einer wöchentlichen Oper am Sonntag hatten die Schauspieler und Sänger viel zu tun, waren jedoch auch in den höchsten Kreisen gefeierter denn je zuvor.
Bei so viel Bewunderung war es für Melia Feuerwall, einer Primadonna, wie sie im Buche stand, ein leichtes, mit einem gönnerischen Zwinkern im Auge zuzuschauen, wie sich ihr Bühnenpartner und der junge Tobias von Sonia zum Narren machen lieÃen. Den Männern muÃte ab und an gezeigt werden, wo ihr Platz war, und wenn ihr dabei ausgerechnet eine kleine Küchenmagd zu Hilfe kam â was sollte sie dagegen haben? Solange Gustavs zerstreuter Liebestaumel sich nicht auf sein Können auf der Bühne auswirkte, konnte er der Magd nachlaufen, wohin er auch wollte.
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I n den nächsten Wochen machte sich Melia Feuerwall einen Spaà daraus,
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