Die Zuckerbäckerin
Haarpracht gekrönt! Wahrscheinlich hatte das Weib schon eine halbe Glatze unter dem Hut zu verbergen, ging es Sonia gehässig durch den Kopf.
Doch dann kam ihr wieder ihr Plan in den Sinn, und die feinen Falten des Neids verschwanden. Waren sie nicht beide auf dem besten Wege, selbst zu Ruhm und Geld zu kommen? Ihre Verbindung zu den Theaterleuten war nur der erste Schritt. Und jetzt würde auch Eleonore nicht auf der Strecke bleiben â¦
»Das Leben hat seine ernste Seite, und für den Ernst des Lebens muà der Mensch erzogen werden. Die moralische Kraft ist des Weibes einzige Stärke, die veredelte Charakterbildung ist die beste Ausstattung für zwei Welten.« Beschwörend blickte Katharina in die Runde. Den angespannten Mienen, den groÃen Augen und den in Falten gelegten Stirnen nach schienen die meisten der Anwesenden ihren Worten noch zu folgen. Vielleicht waren die Damen jedoch auch nur damit beschäftigt, sich das komplizierte Spitzenmuster von Katharinas Gewand genauestens einzuprägen, um bei ihren Ehegatten Aufträge für Stoffballen genau dieser Art aufzugeben.
»Mit dieser ersten Lehranstalt Stuttgarts, die alleine für das weibliche Geschlecht eingerichtet worden ist, geht ein groÃer Traum von mir in Erfüllung. Ich hoffe, daà die Vorsteher dieser neuen Anstalt, von der Wichtigkeit ihres Berufes durchdrungen, stets mit Eifer seiner Vollführung nachstreben werden.« Ihr Blick streifte den zukünftigen Rektor der Schule, der mit einem beseelten Lächeln auf dem Gesicht ein kleines Stück rechts von ihr stand. Es mochte nicht viele Menschen geben, die Katharinas vollstes Vertrauen genossen, der kleine, schmale Mann namens Zoller hatte es.
Mit bewegter Stimme fuhr sie fort: »Ich hoffe auch, daà die Schülerinnen mit immerwährender Anstrengung die ihnen dargebotenen Bildungsmittel zu benutzen sich beeifern. Das Gegenteil wäre als Undank zu betrachten; eine Untugend, welche aus diesem Kreise verbannt sein muÃ.«Obwohl Katharina die zukünftigen Schülerinnen bei diesen Worten mit einem strengen Blick bedachte, machte sie sich auch hier keine allzu groÃen Sorgen. Ganz im Gegenteil: Sie glaubte schon das Glühen in den Augen der frischgebackenen Schülerinnen zu erkennen, welches von einem unstillbaren Wissensdurst herrührt und welches keine Aufgabe zu schwierig, keine Mühsal zu hoch erscheinen läÃt, wenn es nur der eigenen Fortbildung und Wissensmehrung dient! Nein, die Schülerinnen wuÃten sehr genau, welch groÃes Glück ihnen widerfuhr. Bei den Eltern der Mädchen war Katharina sich dagegen nicht so sicher. Der Gedanke, die eigene Tochter auf eine von der Königin errichtete Lehranstalt zu schicken, galt bei vielen als en mode und als etwas, wodurch man sich von anderen Adelsfamilien abheben konnte. Insgeheim hofften die Mütter wohl auch, der zukünftige Wert der Mädchen auf dem Heiratsmarkt würde dadurch steigen. SchlieÃlich sollte es ja Männer geben, die eine gepflegte Konversation mit ihrer Gattin schätzten, obwohl die Mütter für sich selbst die Erfahrung gemacht hatten, daà allzuviel Gesprächigkeit von ihrer Seite nicht sonderlich gefragt war ⦠In einer feierlichen Geste legte Katharina nun ihre rechte Hand wie zum Schwur auf ihre Brust.
»Ich meinerseits verspreche, immer den gröÃten Anteil an diesem Institute zu nehmen. Möge Gott Ihre und meine Sorge mit Gelingen krönen! Er sieht unser aller reine Absicht, bloà diese gilt vor dem Richterstuhl des Allerhöchsten. Und nun, verehrte Gäste, lassen Sie uns einem Gedicht von unserem verehrten Freund und Künstler Ludwig Unland lauschen, vorgetragen von Elisabeth, Baronesse von Hartmannsfelden. Möge die Bescheidenheit seiner Zeilen unser Leben auf ewig begleiten!«
Ein schüchternes, in ihrer Schuluniform unscheinbar wirkendes Mädchen trat an das Rednerpult. Den Blick über die Köpfe der Anwesenden gerichtet, begann es:
Bei einem Wirte, wundermild,
Da war ich jüngst zu Gaste,
Ein goldner Apfel war sein Schild,
An einem langen Aste.
Es war der gute Apfelbaum,
Bei dem ich eingekehret,
Mit süÃer Kraft und frischem Schaum
Hat er mich wohl genähret.
Es kamen in sein grünes Haus
Viel leichtbeschwingte Gäste,
Sie sprangen froh und hielten Schmaus
Und sangen auf das Beste.
Ich fand ein Bett zu süÃer Ruh
Auf weichen, grünen Matten,
Der
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